LG Frankfurt/M.: Unwirksamkeit einer Entgeltklausel für Überweisungen, die zur Kontoüberziehung führen

28.10.2009

<os></os>Unwirksamkeit einer Entgeltklausel für Überweisungen, die zur Kontoüberziehung führen</os><//os>ZIP Heft 42/2009, Seite 1994

BGB §§ 307 ff.; UKlaG § 1

 

LG Frankfurt/M., Urt. v. 13. 5. 2009 – 2-02 O 3/09 (nicht rechtskräftig)

Leitsätze der Redaktion:

1. Eine Klausel in AGB von Kreditinstituten, wonach ein Entgelt für vom Kunden veranlasste Verfügungen über den Guthabensaldo oder das eingeräumte Limit hinaus, die zu einer Überziehung führen, erhoben wird, ist unzulässig.

2. Auch die Verwendung einer Klausel, wonach das Kreditinstitut ein Entgelt für die Übermittlung eines Kontoauszugs bei Abruf am Bankterminal berechnen kann, ist zu unterlassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein in die Liste gem. § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein. Die beklagte Bank verwendete das vom Kläger auszugsweise vorgelegte Preis- und Leistungsverzeichnis, das nunmehr in geänderter Form im Verkehr mit Privatkunden vereinbart wird. Unter Kapitel A.I.8 beider Fassungen ist geregelt, dass das Entgelt für vom Kunden veranlasste Verfügungen über den Guthabensaldo oder das eingeräumte Limit hinaus pro Posten 5 € beträgt. Zu den dort genannten Verfügungen zählt die Beklagte auch im Einziehungsermächtigungsverfahren und Abbuchungsverfahren getätigte Überweisungen. Unter Kapitel A.I.1 heißt es, dass mit der monatlich zu zahlenden Kontoführungspauschale (u.a.) die Ausführungen von Euro-Überweisungen und Daueraufträgen sowie der Kontoauszug am Bankterminal abgegolten sind. In Kapitel A.I.2 heißt es unter der Überschrift „Übermittlung des Kontoauszugs (pro Vorgang ... )“ u.a., dass für den Abruf am Bankterminal pro Monat 0,51 € verlangt werden. Diese Klausel wurde in der Neufassung weggelassen.

Der klagende Verein behauptet, die Beklagte verlange ein zusätzliches Entgelt für Verfügungen, die zu einer Kontoüberziehung führen, obwohl sie bei deren Ausführung nicht immer eine zusätzliche Leistung erbringe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Geschäftsbetrieb für Dienstleistungen mit privaten Kunden die genannten oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu (§ 1 UKlaG, §§ 307 ff. BGB).

Geht man mit der Beklagten davon aus, dass vor jeder Überziehung eine teure individuelle Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden erfolgt, verlangt sie der Sache nach unter Ziffer 8 pauschalen Ersatz für ihre Aufwendungen anlässlich einer Bonitätsprüfung vor einer Kreditgewährung und entgegen dem Wortlaut der Klausel eben kein Entgelt für die Ausführung einer Überweisung. Aus dem Verfahren LG Frankfurt/M. – 2-2 O 51/09 ist gerichtsbekannt, dass diese Klausel zuvor im Preisverzeichnis unter: „Sonderleistungen im Kreditgeschäft, Kreditbearbeitung“ aufgeführt und erst auf eine Abmahnung einer Verbraucherzentrale hin nunmehr unter Ziffer 8 verwendet wird. Durch diese Verschiebung hat sich inhaltlich nichts geändert. Dadurch wird verschleiert, dass es sich um eine der Kontrolle unterliegende Preisnebenabrede handelt und nicht um ein Zusatzentgelt für eine Sonderleistung. Gegen die Annahme einer Sonderleistung spricht auch die Beschreibung der mit der Kontoführungspauschale abgegoltenen Leistungen. Dazu sollen alle Euro-Überweisungen gehören. Teil davon sind aber auch Überweisungen, die zu einer Kontoüberziehung führen. Ein weiteres Entgelt wie bei den telefonisch erteilten Überweisungsaufträgen behält sich die Beklagte bei Überziehungen an dieser Stelle gerade nicht vor. Hierfür ein Entgelt zu verlangen, ist auch fernliegend. Die Beklagte trägt vor, dass sie hohe Aufwendungen durch die Bonitätsprüfung hat, aber nicht, dass die Ausführung des Überweisungsauftrages nach der Prüfung besonders aufwendig ist. Die vorgenommene Prüfung, ob die Überziehung geduldet wird, ist keine Dienstleistung für den Kunden, sondern dient den Vermögensinteressen der Beklagten. Der Verbraucher ist an einer derartigen Prüfung nicht interessiert, da er befürchten muss, dass die Prüfung negativ ausfällt und die Überziehung dann nicht geduldet wird. Nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen schon im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung aller Rechtssuchenden kein Anlass besteht, sind derartige Vereinbarungen in AGB unangemessen (BGH ZIP 2005, 798 (m. Bespr. Freitag, S. 2052) = NJW 2005, 1645, dazu EWiR 2005, 535 (Haertlein); BGHZ 137, 43 = ZIP 1997, 2151, dazu EWiR 1998, 49 (Canaris); BGH ZIP 1997, 2153 = WM 1997, 2300, dazu EWiR 1998, 339 (Reifner/Tiffe)).

Selbst die Annahme der Beklagten, dass jedenfalls die geduldete Überziehung als solche immer im Interesse des Verbrauchers liegt und damit mittelbar als Folge davon auch die Bonitätsprüfung, trifft nicht in allen Fällen zu. Bei Verzug zahlt der Verbraucher an seinen Gläubiger in der Regel nur den gesetzlichen Zinssatz; an die Beklagte muss er einen wesentlich höheren Zins zahlen. Zahlt die Beklagte auf eine Lastschrift eines Gläubigers des Verbrauchers hin, kommt die Umschuldung dem Gläubiger zugute. Die Möglichkeit, der Abbuchung zu widersprechen, ändert an der gegebenen Interessenverteilung nichts. Durch eine von der Beklagten genehmigte Überziehung kann zwar die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses des Verbrauchers vermieden werden. Ob dies aber für ihn ein Vorteil ist oder ob die drohende Kündigung des Girovertrages, wenn die Rückführung der Überziehung nicht gelingt, nicht gravierender ist, lässt sich nicht in allen denkbaren Fällen im Sinne der Beklagten beantworten. Die Klausel lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass die Kosten ansonsten auf die allgemeinen Kontoführungskosten und damit auf alle Kunden der Beklagten umgelegt werden müssten und nicht nur von denjenigen getragen werden, die sie verursachen. In den o.g. Entscheidungen stellt der BGH gerade nicht auf das Verursacherprinzip ab. Auch die Beklagte tut dies in ihrer Preisliste nicht. Die Höhe der den Kunden in Rechnung gestellten Kontoführungskosten ergibt sich in erster Linie nicht aus der Höhe der Kosten, sondern daraus, welche Summe am Markt durchsetzbar ist. Um Kunden zu gewinnen, führt die Beklagte Konten auch unentgeltlich, ohne ihnen die durch sie verursachten Kosten in Rechnung zu stellen.

Im Übrigen wäre die Klausel als Entgelt für die Ausführung der Überweisung auch als unangemessen zu bewerten, weil sie dann überraschend und damit intransparent ist (§ 307 BGB). Aus Kapitel A.I.1 ergibt sich, dass als Gegenleistung für die Monatspauschale uneingeschränkt Euro-Überweisungen ausgeführt werden. Überweisungen, zu denen die Beklagte wegen Überschreitung des Guthabens oder des Kreditlimits nicht ver-ZIP Heft 42/2009, Seite 1995pflichtet ist, werden nicht ausgenommen. Ein Verbraucher muss nicht damit rechnen, dass er doch an anderer Stelle eine Entgeltverpflichtung für die von ihm veranlassten Verfügungen über sein Konto eingehen soll, mit der eigentlich der Aufwand für eine Bonitätsprüfung abgegolten werden soll.

Nach Inhalt und Aufbau der Geschäftsbedingungen kann auch keine Rede davon sein, dass die Gebühr für die erstmalige Verschaffung/Beischaffung des Darlehens verlangt wird, vergleichbar etwa der Anfahrpauschale eines Handwerkers, wie die Beklagte meint. Der Wortlaut der Vertragsbedingungen gibt dafür nichts her. Die Umstände sprechen dagegen, dass dies von der Beklagten für den Verbraucher erkennbar so gemeint gewesen war. Ihrem Vortrag zufolge fallen die Kosten, die durch die Zahlung des Verbrauchers ausgeglichen werden sollen, nicht dadurch an, dass besonderer Aufwand getrieben werden muss, um Geld für die Kreditgewährung aufzutreiben, oder für die Einrichtung eines Kontos, um die Überziehung vornehmen zu können.

Erst recht nicht kann angenommen werden, dass es sich bei der Gebühr um ein weiteres Entgelt neben den Überziehungszinsen dafür handelt, dass dem Kunden Darlehensvaluta belassen wird. Das höhere Risiko der Beklagten wird durch höhere Zinsen abgegolten. Die Berücksichtigung der Gebühr als weiteres Entgelt für die Darlehensgewährung würde zu unsinnigen Ergebnissen führen. Den Vertragsbedingungen zufolge wird die Gebühr von 5 € auch durch eine geringfügige Überziehung für kurze Zeit ausgelöst. Gerät beispielsweise ein Kontoinhaber durch einen Überweisungsauftrag um einen Cent über sein Kreditlimit hinaus und füllt er sein Girokonto kurze Zeit danach wieder auf, führt die Berücksichtigung der Gebühr neben dem vereinbarten Zins zu einem grotesk hohen Effektivzins. Überzieht ein Kunde dagegen für längere Zeit um einen höheren Betrag, fällt die Gebühr dagegen viel geringer ins Gewicht. Als absoluter Wert steht sie in keinem sachgerechten Verhältnis zur Höhe und Dauer des Darlehens. Es ist nicht anzunehmen, dass die Beklagte unsinnige Regeln vereinbaren wollte.

Die Klausel: „Abruf am Bankterminal – 0,51 €“ darf die Beklagte ebenfalls nicht mehr verwenden. Bei der im Verbandsprozess gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung ist die Klausel so zu verstehen, dass die Beklagte über die Kontoführungspauschale hinaus als Sonderleistung für einen Kontoauszug eine Gebühr erheben will, obwohl sie zuvor ankündigt, dies sei mit der Monatspauschale abgegolten. Diese Auslegung entspricht dem Verständnis der Beklagten betreffend die Klausel über die Gebühr bei einer zu einer Überziehung führenden Verfügung. Obwohl sie zuvor angibt, mit der Kontoführungspauschale seien alle Überweisungen abgegolten, ist sie der Auffassung, an anderer Stelle der Preisliste diese Leistung bei Überziehung gesondert berechnen zu dürfen. Mit einer Gebühr für einen Kontoauszug würde sie Bezahlung einer Leistung verlangen, zu der sie auch ohne vertragliche Vereinbarung gesetzlich verpflichtet wäre. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht zulässig (BGHZ 114, 330 = ZIP 1991, 857, dazu EWiR 1991, 735 (Heinrichs)). Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfällt nicht, wenn die Beklagte die Gebühr nie verlangt hat. Der Unterlassungsanspruch knüpft nicht an eine Gebührenerhebung, sondern an die in der Vergangenheit erfolgte Verwendung einer derartigen Klausel an, die eine Wiederholung vermuten lässt. Auch wenn es sich bei dem Abdruck der Klausel um ein redaktionelles Versehen gehandelt haben dürfte und nicht die Absicht bestand, diese Gebühr tatsächlich zu erheben, ist durch die Absichtserklärung, die Klausel nicht zu verwenden, die Gefahr eines erneuten Fehlers nicht gebannt. Da die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, fehlt ein Anreiz zu besonders sorgfältigem Verhalten, um in Zukunft solche Pannen zu vermeiden. Die Möglichkeit eines erneuten Versehens ist gerade ein Motiv, keine Vertragsstrafe für diesen Fall zu vereinbaren.

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Anmerkung der Redaktion:

Berufung ist eingelegt beim OLG Frankfurt/M.

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