LG Hannover: Zur gerichtlichen Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds („Continental/Schaeffler“)

30.04.2009

AktG § 104

Zur gerichtlichen Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds („Continental/Schaeffler“)

LG Hannover, Beschl. v. 12. 3. 2009 – 21 T 2/09

Leitsätze der Redaktion:

1. Ein Aktionär ist berechtigt, gegen die gerichtliche Bestellung einer von ihm nicht vorgeschlagenen Person zum Aufsichtsratsmitglied sofortige Beschwerde einzulegen.

2. Eine Person darf nicht zum Aufsichtsratsmitglied bestellt werden, wenn absehbar ist, dass sie ihr Amt aufgrund einer gravierenden, andauernden und nicht anderweitig lösbaren Pflichtenkollision umgehend wieder niederlegen müsste.

3. Eine solche Pflichtenkollision ergibt sich bei Unternehmen im Konzernverbund nicht bereits daraus, dass die zu bestellende Person gesetzlicher Vertreter des herrschenden Unternehmens ist. Das Gleiche gilt für einen Berater des herrschenden Unternehmens.

4. Besondere Umstände, die zu Interessenkollisionen führen können, hindern gleichwohl nicht die gerichtliche Bestellung des vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieds, wenn in Vereinbarungen der betroffenen Konzernunternehmen Lösungen für Interessenkonflikte vorgesehen sind.

Gründe:

I. Ende Januar/Anfang Februar 2009 erklärten vier der insgesamt zehn Aufsichtsratsmitglieder der Aktionärsseite der Continental AG mit sofortiger Wirkung die Niederlegung ihres Amtes. Die Ersatzmitglieder erklärten, dass sie das Amt nicht antreten werden.

Mit Schreiben vom 4.2.2009 hat der Vorstand der betroffenen Gesellschaft beim Amtsgericht beantragt, die Gesellschafter der Schaeffler-Gruppe Maria-Elisabeth Schaeffler und Georg F.W. Schaeffler sowie den Vorsitzenden der Geschäftsleitung der INA-Holding Schaeffler KG Dr. G. und den Beteiligten zu 2) gem. § 104 Abs. 2 und 3 AktG bis zur Beendigung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Continental AG zu Mitgliedern des Aufsichtsrats zu bestellen. Zur Begründung hat der Vorstand ausgeführt, der Aufsichtsrat sei nach den Amtsniederlegungen nicht mehr satzungsgemäß und nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes besetzt. Die nächste ordentliche Sitzung des Aufsichtsrats finde bereits am 6.3.2009 statt, die ordentliche Hauptversammlung, in der eine Nachwahl erfolgen könne, erst Ende April 2009.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 5.2.2009 die im Antrag genannten vier Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern der Continental AG bestellt.

Der Beteiligte zu 1) ist Aktionär der Continental AG. Er hat am 5.2.2009 bei dem Amtsgericht beantragt, den Antrag des Vorstands, soweit er den Beteiligten zu 2) betrifft, zurückzuweisen und eines der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erneut zu bestellen. Der Beteiligte zu 2) sei Rechtsberater der Schaeffler-Gruppe, die durch die Übernahme von ca. 90 % der Aktien der Continental AG in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Die Continental AG habe ihre Finanzsituation kürzlich durch eine Bankenvereinbarung geordnet. Es sei zu befürchten, dass die Schaeffler-Gruppe mangels anderer Finanzierungsmöglichkeiten darauf angewiesen sei, einen Teil ihrer Verschuldung von rd. 11 Mrd. € bei der betroffenen Gesellschaft unterzubringen. Dies bedeute für den Beteiligten zu 2), der als neuer Aufsichtsratsvorsitzender gewählt werden solle, eine nicht lösbare Interessenkollision.

Daraufhin hat das Amtsgericht am 6.2.2009 seinen Beschluss vom 5.2.2009 dahin ergänzt, dass der Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen wird. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) sofortige Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 1) beantragt, 1. die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, soweit der Beteiligte zu 2) zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt wurde, bzw. soweit der Antrag zurückgewiesen wurde, eines der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erneut zu bestellen, 2. eines der ausscheidenden Aufsichtsratsmitglieder zum Aufsichtsratsmitgtied zu bestellen, hilfsweise das Amtsgericht anzuweisen, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts über den Antrag auf Bestellung des Beteiligten zu 2) als ZIP 2009, Seite 762Aufsichtsratsmitglied oder einer anderen der vorstehend genannten Personen erneut zu befinden. Das Amtsgericht hat die sofortige Beschwerde dem LG zur Entscheidung vorgelegt.

II. 1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Gegen die Entscheidung des Registergerichts ist die sofortige Beschwerde zulässig (§ 104 Abs. 2 Satz 4 AktG). Der Beteiligte zu 1) ist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde berechtigt. Gemäß § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Der Beteiligte zu 1) ist als Aktionär der Continental AG durch die gerichtliche Einsetzung des von ihm nicht vorgeschlagenen Beteiligten zu 2) in seinem Recht beeinträchtigt (vgl. OLG Schleswig ZIP 2004, 1143 (m. Bespr. Lutter/Kirschbaum, ZIP 2005, 103), dazu EWiR 2004, 949 (Lenz); OLG Dresden, Beschl. v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97; MünchKomm-Semler, AktG, 2. Aufl., § 104 Rz. 113; Mertens, in: Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl., § 104 Rz. 21; a.A. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 104 Rz. 5).

2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. Die Kammer hat die nach § 146 Abs. 1 i.V.m. § 145 Abs. 1 FGG gebotene (vgl. Beschlüsse in dieser Sache vom 26.2.2009 und vom 5.3.2009, Letzterer vorstehend abgedruckt), in erster Instanz nicht durchgeführte Anhörung der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder nachgeholt, die Satzung der Continental AG beigezogen, Feststellungen zum Inhalt der Investorenvereinbarung vom 20.8.2008 zwischen der Schaeffler KG bzw. deren Gesellschaftern und der Continental AG getroffen und auf dieser Grundlage den Antrag nach § 104 AktG in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht geprüft (zum Prüfungsumfang in der Beschwerdeinstanz: OLG Dresden, Beschl. v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97; Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rz. 7, 8). Die Prüfung hat ergeben, dass der vom Vorstand der Continental AG vorgeschlagene Beteiligte zu 2) zum Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu bestellen ist.

a) Der Aufsichtsrat der Continental AG ist durch das Gericht zu ergänzen. Nach § 104 Abs. 2, 3 Nr. 2 AktG hat das Gericht einen Aufsichtsrat, in dem die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach dem MitbestG haben, auf Antrag zu ergänzen, wenn ihm, abgesehen von dem in Abs. 3 Nr. 1 der Vorschrift genannten weiteren Mitglied, nicht alle Mitglieder angehören, aus denen er nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Nach §§ 95, 96 Abs. 1 AktG, § 7 MitbestG und § 10 der Satzung besteht der Aufsichtsrat der Continental AG aus 10 Arbeitnehmervertretern und 10 Vertretern der Aktionäre. Vier der bisherigen Anteilseignervertreter sowie die Ersatzmitglieder haben ihr Amt niedergelegt. Die Amtsniederlegungen ohne Angabe von Gründen sind wirksam (vgl. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 103 Rz. 17). Somit gehören dem Aufsichtsrat – auch unter Berücksichtigung der nicht angefochtenen gerichtlichen Bestellung von Maria-Elisabeth Schaeffler, Georg F.W. Schaeffler und Dr. G. – nicht alle 10 Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre an. Die gesetzlich und satzungsgemäß vorgesehene Parität ist gestört. Die Continental AG hat die Ergänzung des Aufsichtsrats beantragt.

b) Das Gericht wählt das zu bestellende Aufsichtsratsmitglied nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aus, ohne an die Vorschläge der Antragsteller gebunden zu sein (BayObLG ZIP 1997, 1883 = NJW-RR 1998, 330, dazu EWiR 1998, 97 (Junker/Schnelle); OLG Schleswig ZIP 2004, 1143; MünchKomm-Semler, a.a.O., § 104 Rz. 75; Mertens, a.a.O., § 104 Rz. 15).

c) Bei der Prüfung muss das Gericht beachten, dass das auszuwählende Aufsichtsratsmitglied die für das Amt erforderliche Qualifikation mitbringt (MünchKomm-Semler, a.a.O., § 104 Rz. 84; Bürgers/Israel, a.a.O., § 104 Rz. 7). Dies betrifft zunächst die fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen des Aufsichtsratsmitglieds, die bei dem Beteiligten zu 2) offensichtlich gegeben sind und vom Beteiligten zu 1) auch nicht in Zweifel gezogen werden.

d) Die Kammer muss aber auch mögliche Interessenkonflikte des Beteiligten zu 2) in Betracht ziehen. Würde im Fall seiner Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied eine gravierende, unlösbare Pflichtenkollision bestehen, dann müsste eine andere Person ausgewählt werden:

aa) Das Gesetz nimmt Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern weitgehend in Kauf (zu den wenigen gesetzlich geregelten Fällen vgl. § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 und § 105 AktG). Ein Aufsichtsratsmitglied kann allerdings wegen seiner Treubindung zur Gesellschaft verpflichtet sein, das Amt niederzulegen, wenn sich eine Interessenkollision zum andauernden Pflichtenwiderstreit verdichtet und nicht auf andere Weise gelöst werden kann (MünchKomm-Habersack, AktG, 3. Aufl., § 100 Rz. 72; Hüffer, a.a.O., § 116 Rz. 5; Mertens, a.a.O., § 116 Rz. 32; Dreher, JZ 1990, 896, 902; Marsch-Barner, in: Semler/v. Schenk, ARHdb, 2. Aufl., § 12 Rz. 102 m.w.N.; für Konflikte im Vorfeld einer Übernahme: Möllers, ZIP 2006, 1615, 1619). Lässt sich im Verfahren über die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds voraussehen, dass ein solcher Interessenkonflikt bei dem vorgeschlagenen Kandidaten im Falle seiner Bestellung vorliegen würde, dann darf das Gericht dem Vorschlag nicht folgen (vgl. OLG Schleswig ZIP 2004, 1143, 1144). Denn es wäre sinnwidrig, ein Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, das sein Amt umgehend niederlegen müsste. Für diese Rechtslage spricht auch 5.4.1 DCGK, wonach bei Vorschlägen zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern potenzielle Interessenkonflikte berücksichtigt werden sollen. Der DCGK hat zwar keine Gesetzeskraft (Hüffer, a.a.O., § 161 Rz. 3). Seine Bestimmungen sind aber bei der Continental AG zu beachten, und zwar nicht nur bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung, sondern auch im vorliegenden Verfahren der gerichtlichen Bestellung (vgl. MünchKomm-Semler, a.a.O., § 104 Rz. 84). Die Continental AG hat nicht erklärt, von der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abweichen zu wollen.

bb) Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Schaeffler Gruppe und der Continental AG um Unternehmen im Konzernverbund handelt.

(1) Zwar greift der Grundsatz, dass ein Aufsichtsratsmitglied zur Amtsniederlegung verpflichtet sein kann, wenn sich eine Interessenkollision zum andauernden Pflichtenwiderstreit verdichtet und nicht auf andere Weise gelöst werden kann, in ei-ZIP 2009, Seite 763nem Konzernverbund so nicht ein. Das Gesetz geht davon aus, dass das im Konzern herrschende Unternehmen seinen Einfluss durch Entsendung seiner gesetzlichen Vertreter in den Aufsichtsrat der zum Konzern gehörenden Unternehmen geltend machen darf (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die Interessengegensätze innerhalb eines Konzerns werden durch die Vorschriften der §§ 311 ff. AktG geregelt, insbesondere durch das Verbot der Nachteilszufügung und die Ausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens. Deshalb vermag der Konzernkonflikt für sich genommen eine Pflicht zur Mandatsniederlegung nicht zu begründen (MünchKomm-Habersack, a.a.O., § 100 Rz. 73; MünchKomm-Semler, a.a.O., § 100 Rz. 180; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 238). Wenn somit die Entsendung des gesetzlichen Vertreters des herrschenden Unternehmens in den Aufsichtsrat des abhängigen Unternehmens grundsätzlich zulässig ist, so gilt das auch für den Berater des Unternehmens.

Die Schaeffler Gruppe ist, ungeachtet dessen, dass sie sich in der Investorenvereinbarung verpflichtet hat, ihre Beteiligung innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf 49,99 % des stimmberechtigten Grundkapitals zu beschränken, im Verhältnis zur Continental AG herrschendes Unternehmen (§ 17 AktG). Es ist anerkannt, dass die für eine Abhängigkeit i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG notwendige Möglichkeit der Einflussnahme bereits dann bestehen kann, wenn die Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft erfahrungsgemäß so besucht sind, dass die unter 50 % liegende Beteiligung eines Großaktionärs regelmäßig ausreicht, um für eine längeren Zeitraum Beschlüsse mit einfacher Mehrheit durchzusetzen (BGH ZIP 1997, 887 = NJW 1997, 1855, 1856, dazu EWiR 1997, 681 (H.P. Westermann); Hüffer, a.a.O., § 17 Rz. 9). So ist es bei der Beteiligung der Schaeffler-Gruppe an der Continental AG. Das Stimmpotenzial der Schaeffler-Gruppe reicht auch mit der Beschränkung auf 49,99 % aus, um in der Hauptverhandlung tatsächlich als Mehrheit zu wirken.

(2) Jedoch liegen hier besondere Umstände vor, die dazu führen, dass Interessenkollisionen auch bei der gerichtlichen Bestellung eines Vertreters der Schaeffler-Gruppe als Aufsichtsratsmitglied der Continental AG beachtet werden müssen.

Es kann offenbleiben, ob sich dies schon im Hinblick auf die kritische Finanzsituation der Schaeffler-Gruppe ergibt (vgl. Zukunfts-Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern der Schaeffler Gruppe und der IG Metall vom 23.2.2009: „Finanzierung ... in akuter Gefahr“), die es fraglich erscheinen lässt, ob sich der Konzernkonflikt durch die Anwendung der §§ 311 ff. AktG bewältigen lässt. Jedenfalls kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die Schaeffler-Gruppe in der Investorenvereinbarung vom 20.8.2008 verpflichtet hat, in einem Verfahren wie dem vorliegenden bei der Benennung von Personen, die vom Vorstand für den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden sollen, potenzielle Interessenkonflikte zu berücksichtigen. In Ziff. III 3.1.1 der Investorenvereinbarung ist geregelt, dass die Schaeffler Gruppe mit von ihr benannten Vertretern angemessen im Aufsichtsrat der Continental AG repräsentiert sein soll. Im Weiteren heißt es: „Falls ... ein oder mehrere Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der Continental AG ihr Amt niederlegen, wird der Vorstand im Rahmen des rechtlich Zulässigen ... die gerichtliche Bestellung von Schaeffler benannter Personen als Anteilseignervertreter beantragen .... Die vorstehenden Verpflichtungen der Continental bestehen nur, wenn und soweit die von Schaeffler benannten Personen die nach ... dem DCGK, insbesondere nach den Ziff. 5.4.1 und 5.4.2 ... gestellten Anforderungen erfüllen.“ Ziff. 5.4.1 DCGK regelt, wie ausgeführt, dass bei Vorschlägen zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern potenzielle Interessenkonflikte berücksichtigt werden sollen.

e) Bei dem Beteiligten zu 2) dürfte zwar eine gravierende Pflichtenkollision bestehen. Diese ist aber nicht unlösbar. Die Kammer geht vielmehr unter Berücksichtigung der Äußerungen der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder davon aus, dass sich die Pflichtenkollision mit Hilfe der Investorenvereinbarung beherrschen lässt.

aa) Die Pflichtenkollision besteht darin, dass der Beteiligte zu 2) als maßgeblicher Rechtsberater der Schaeffler-Gruppe zur Wahrung von deren Interessen verpflichtet ist, während er als Aufsichtratsmitglied der Continental AG allein das Unternehmensinteresse dieser Gesellschaft wahren muss. Das Unternehmensinteresse der Continental AG ist insbesondere auf die Erhaltung des Unternehmens und seine langfristige Rentabilität gerichtet (vgl. Marsch-Barner, a.a.O., § 12 Rz. 93; Dreher, JZ 1990, 896, 897). Der Beteiligte zu 1) führt aus: Während die Continental AG ihre Finanzsituation durch eine vor kurzem abgeschlossene Bankenvereinbarung geordnet habe, befinde sich die mit ca. 11 Mrd. € verschuldete Schaeffler-Gruppe in existenzbedrohenden finanziellen Schwierigkeiten. Es sei zu befürchten, dass der Beteiligte zu 2), der als Chefberater der Schaeffler-Gruppe an der umstrittenen Übernahme maßgeblich mitgewirkt habe, mangels anderer Möglichkeiten versuchen werde, einen Teil der Verschuldung der Schaeffler-Gruppe bei der Continental AG „unterzubringen“. Angesichts ihrer prekären Finanzsituation sei die Schaeffler-Gruppe zu einem Finanzausgleich von vornherein nicht in der Lage.

Ob diese Befürchtungen berechtigt sind, lässt sich im vorliegenden Verfahren nicht klären. Sie sind aber nicht von der Hand zu weisen.

bb) Die Kammer geht indes unter Berücksichtigung der Äußerungen der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder davon aus, dass sich die Pflichtenkollision mit Hilfe der Investorenvereinbarung handhaben lässt.

In der Investorenvereinbarung haben sich die Schaeffler KG und deren Gesellschafter verpflichtet, ihre Beteiligung an der Continental AG auf max. 49,99 % des stimmberechtigten Grundkapitals zu beschränken. Sie haben erklärt, dass Schaeffler für den Aufsichtsrat nicht mehr als vier Personen vorschlagen oder wählen werde, die Gesellschafter, Organmitglieder oder Angestellte von Schaeffler oder von mit Schaeffler i.S.d. § 15 AktG verbundenen Unternehmen sind. Schaeffler beabsichtige nicht, die Mehrzahl der von den Anteilseignern zu besetzenden Aufsichtsratspositionen neu zu besetzen. Ferner haben sich die Schaeffler KG und deren Gesellschafter in der Investorenvereinbarung verpflichtet, ohne Zustimmung des Vorstands keine der näher aufgelisteten Struktur- und Geschäftsführungsmaßnahmen vorzunehmen, die gegen die Eigenstän-ZIP 2009, Seite 764digkeit der Continental AG gerichtet sind. Zu den aufgelisteten Maßnahmen gehört die Erhöhung der Verschuldung des Continental-Konzerns.

Durch diese Vereinbarung ist die Einflussmöglichkeit der Vertreter der Schaeffler Gruppe im Aufsichtsrat begrenzt. Entgegen der vom Beteiligten zu 1) vertretenen Meinung kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Beteiligte zu 2) zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt werden soll. Die Wahl des Vorsitzenden obliegt dem Aufsichtsrat (§ 107 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die offenbar beabsichtigte Wahl des Beteiligten zu 2) zum Aufsichtsratsvorsitzenden kann für die Entscheidung nach § 104 AktG nicht unterstellt werden. Das Gericht ist im Übrigen generell nicht befugt, die Wahl einer als Aufsichtsratsmitglied vorgeschlagenen Person zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats „im Vorgriff“ zu verhindern.

Der Beteiligte zu 1) macht geltend, dass die Schaeffler-Gruppe bereits in der Vergangenheit mit ihrem Verhalten die Zusagen der Investorenvereinbarung infrage gestellt habe (Pressemitteilung der Continental AG vom 12.12.2008 über ein Einmischung der Schaeffler-Gruppe in die Verhandlungen der Continental AG mit Banken; Presseberichte vom 21.1.2009 über Erklärungen eines Schaeffler-Unternehmenssprechers: Schaeffler behalte sich das Recht vor, sämtliche Vertreter der Anteilseignerseite zu stellen). Auch damit hat der Beteiligte zu 1) im Ergebnis keinen Erfolg. Die Kammer geht davon aus, dass die Investorenvereinbarung auch mit dem Beteiligten zu 2) als Aufsichtsratsmitglied jedenfalls in dem hier interessierenden Zeitraum bis zur nächsten Hauptversammlung eingehalten wird. Die Erfüllung der von der Schaeffler-Gruppe in der Investorenvereinbarung übernommenen Verpflichtungen ist sowohl durch die Continental AG als auch durch den als „Garant“ eingesetzten Bundeskanzler a.D. Dr. Gerhard Schröder – auch gerichtlich – durchsetzbar. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Aufsichtsratsmitglieder der Continental AG mit dem Vorschlag des Vorstands, den Beteiligten zu 2) gerichtlich zum Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, soweit ersichtlich mehrheitlich einverstanden sind bzw. keine durchgreifenden Bedenken haben. Von den 19 amtierenden Aufsichtsratsmitgliedern, die Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten, haben sich acht geäußert. Sieben der acht Aufsichtsratsmitglieder vertreten die Auffassung, dass die geäußerten Bedenken gegen die Bestellung des Beteiligten zu 2) als Aufsichtsratsmitglied unbegründet sind bzw. dass einer Bestellung des Beteiligten zu 2) durchgreifende Bedenken nicht entgegenstehen. Eines der Aufsichtsratsmitglieder hat sich zwar geäußert, sich aber einer Bewertung bezüglich der Eignung des Beteiligten zu 2) enthalten. Der amtierende Aufsichtsrat hat, wie der Beteiligte zu 2) vorträgt, in seiner Sitzung vom 6.3.2009 mit den – nach § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG allein entscheidenden – Stimmen aller Vertreter der Anteilseigner beschlossen, der für den 24.4.2009 terminierten Hauptversammlung der Continental AG die Wahl des Beteiligten zu 2) in den Aufsichtsrat vorzuschlagen.

Die Kammer folgt aus diesen Gründen im Ergebnis dem Vorschlag des Vorstands der Continental AG und bestellt den Beteiligten zu 2) zum Mitglied des Aufsichtsrats.

3. Das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds erlischt, sobald der Mangel behoben ist. Dies geschieht kraft Gesetzes (§ 104 Abs. 5 AktG), so dass eine zeitliche Begrenzung nicht ausgesprochen werden muss.

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