LG Köln: Zur Genehmigung von Lastschriftbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren durch den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter

29.05.2009

InsO § 21 Abs. 2, §§ 129 ff., 9 Abs. 3; AGB-Spk Nr. 7 Abs. 4; BGB § 826

Zur Genehmigung von Lastschriftbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren durch den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter

LG Köln, Urt. v. 27. 1. 2009 – 5 O 283/08

Leitsätze der Redaktion:

1. An der Anwendung der Genehmigungstheorie auf das Valutaverhältnis im Einzugsermächtigungsverfahren, seit Jahrzehnten ständige Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH ZIP 2007, 2273), ist festzuhalten.

2. Der Lastschriftwiderspruch des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters ist nicht sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB. Vielmehr handelt es sich hierbei um die Erfüllung der dem vorläufigen Insolvenzverwalter gesetzlich zugewiesenen Aufgaben zur Sicherung und Erhaltung der Insolvenzmasse.

Tatbestand:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Diese stellte mit Schreiben vom 2.5.2007 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 3.5.2007 wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt.

Die Insolvenzschuldnerin unterhielt ein Kontokorrentkonto bei der Sparkasse. Nr. 7 Abs. 4 AGB-Spk enthält Regelungen zur Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften. Danach gelten die im Rechnungsabschluss enthaltenen Belastungsbuchungen dann als genehmigt, wenn der Belastung nicht vor Ablauf von 6 Wochen nach dem Zahlungsabschluss widersprochen wird.

Die Sparkasse errechnete für das Konto der Insolvenzschuldnerin für das 1. Quartal 2007 mit Abrechnung vom 30.3.2007 einen Saldo von 92.614,60 €. Der Kontovertrag der Insolvenzschuldnerin gewährte einen Kredit von 100.000 €.

Die Insolvenzschuldnerin hatte dem Finanzamt eine Lastschrift-Einzugsermächtigung erteilt. In der Zeit zwischen dem 12.1.2007 und dem 12.4.2007 zog das Finanzamt Zahlungen i.H. v. insgesamt 37.750,30 € ein. Der Kläger forderte das beklagte Land mit Schreiben vom 3.8.2007 zur Rückzahlung der Beträge auf. Dies lehnte das beklagte Land ab, woraufhin der Kläger mit Schreiben vom 12.2.2008 nochmals mahnte und das beklagte Land wiederum ablehnte.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen das beklagte Land auf Zahlung von 37.550 € nach § 130 Abs. 1 Nr. 2, § 143 Abs. 1 InsO. Die an das beklagte Land im Wege der Einzugsermächtigung ausgekehrten Beträge sind zur Insol-ZIP 2009, Seite 928venzmasse zurückzugewähren, da der Kläger diese Zahlungen wirksam nach § 129 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten hat. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.6.2007 eröffnet.

Der Kläger hat sowohl die Zahlungsvorgänge an das beklagte Land in der Zeit vom 12.1.2007 bis 14.3.2007, die Gegenstand des Rechnungsabschlusses vom 30.3.2007 waren, als auch die weitere Zahlung vom 12.4.2007 genehmigt. Hierbei ist unerheblich, ob dies im Hinblick auf den Rechnungsabschluss vom 30.3.2007 durch Eintreten der Genehmigungsfiktion gem. Nr. 7 Abs. 4 AGB-Spk oder konkludent durch das Schreiben des Klägers an das beklagte Land vom 19.7.2007 erfolgt ist. In beiden Fällen liegen die Zeitpunkte nach der Antragstellung der Insolvenzschuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nach Veröffentlichung der Anordnung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt im Internet am 4.5.2007. An dieser Stelle bedarf es daher keiner Entscheidung, ob mit der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH in dem Urteil vom 10.6.2008 – XI ZR 283/07, ZIP 2008, 1977 = ZVI 2008, 477 davon auszugehen ist, dass Nr. 7 Abs. 4 AGB-Spk auch für den Kläger als vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Bindungswirkung entfaltet, oder ob diese Bindungswirkung nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZIP 2007, 2273 (m. Bespr. Jungmann, ZIP 2008, 295) = ZVI 2008, 64) nur bei dem endgültigen Insolvenzverwalter oder dem vorläufigen starken Insolvenzverwalter eintritt.

Gleichwohl kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, zu welchem Zeitpunkt beim Einzugsermächtigungsverfahren Erfüllung eintritt, d.h. ob im Valutaverhältnis die Genehmigungs- oder Erfüllungstheorie Anwendung findet. Die streitgegenständlichen Zahlungen liegen im Zeitraum vom 12.1.2007 bis 12.4.2007 und somit vor Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3.5.2007. Nur bei Anwendbarkeit der Genehmigungstheorie ist der Anwendungsbereich des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO eröffnet, da nur in diesem Fall die Belastung des Schuldnerkontos erst durch die Genehmigung des Insolvenzverwalters und damit nach Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geworden ist. Anderenfalls wäre Erfüllung zum Zeitpunkt der jeweiligen Belastung des Schuldnerkontos eingetreten, so dass insolvenzrechtliche Anfechtungsrechte nur nach den strengeren Anforderungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Betracht kommen würden.

Entgegen der Ansicht des beklagten Landes hat der XI. Zivilsenat in dem Urteil vom 10.6.2008 – XI ZR 283/07, ZIP 2008, 1977 nicht entschieden, dass beim Einzugsermächtigungsverfahren im Valutaverhältnis die Erfüllungstheorie anzuwenden sei. Der XI. Zivilsenat hat die Frage, ob für das Valutaverhältnis an der Genehmigungstheorie auch in Zukunft noch festgehalten werden könne oder unter teilweiser Aufgabe der Genehmigungstheorie von einer Erfüllung im Valutaverhältnis auszugehen sei, ausdrücklich offengelassen (Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, ZIP 2008, 1977, Rz. 25), hat diese jedoch seinen weiteren Entscheidungsgründen zugrunde gelegt.

Die Anwendung der Genehmigungstheorie auf das Valutaverhältnis im Einzugsermächtigungsverfahren ist seit Jahrzehnten ständige Rechtsprechung des BGH (BGH ZIP 2007, 2273 = ZVI 2008, 64, Rz. 12 m.w.N.), die insbesondere auch von dem für Banksachen zuständigen XI. Zivilsenat zumindest bis zu der Entscheidung vom 10.6.2008 vertreten worden ist.

Der XI. Zivilsenat begründet seine geänderte Auffassung damit, dass der Rechtsprechung des IX. Senats deshalb nicht gefolgt werden könne, weil dessen Rechtsprechung seit der Entscheidung vom 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = ZVI 2004, 188 unbeachtet lasse, dass die Regelung des § 826 BGB als spezielle Ausprägung des die gesamte Zivilrechtsordnung beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben uneingeschränkt auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter gelte, da diesem nicht mehr und keine anderen Rechte zustünden als dem Schuldner und daher auch der vorläufige Insolvenzverwalter berechtigten Lastschrifteneinzügen nicht widersprechen dürfe. Es komme maßgeblich auf den Parteiwillen an, wann im Valutaverhältnis Erfüllung eintrete. Mit der Lastschriftabrede habe der Schuldner nach seiner Sicht alles zur Erfüllung Erforderliche getan, wenn er den Leistungsgegenstand zur Abholung bereithalte. In dem Moment, in dem die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers erfolge, trete daher Erfüllung ein.

Diese Auffassung ist jedoch nicht überzeugend und wird insbesondere auch den Interessen des Gläubigers nicht gerecht. Wenn im Valutaverhältnis bereits im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Gläubigerkonto Erfüllung eintreten würde und nicht erst mit Genehmigung der Lastschrift durch den Schuldner, hätte dies zur Folge, dass der Schuldner die Lastschrift im Innenverhältnis zur Bank noch zurückrufen kann, solange diese noch nicht genehmigt ist oder die Genehmigung fingiert ist, im Valutaverhältnis in diesem Fall aber gleichwohl die Erfüllungswirkung bestehen bleibt.

Der Lastschriftwiderspruch eines Insolvenzverwalters ist auch nicht sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB. Vielmehr handelt es sich hierbei um die Erfüllung der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Sicherung und Erhaltung der Insolvenzmasse. Die sich ergebende unterschiedliche Beurteilung der Bindungswirkung von Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk bzw. Nr. 7 Abs. 4 AGB-Spk trägt dem Umstand Rechnung, dass die InsO den starken und schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit unterschiedlichen Befugnissen und Rechten ausgestattet hat. Diese Unterschiede berücksichtigt der XI. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 11.6.2008 nicht ausreichend.

Es liegt daher eine anfechtbare Rechtshandlung vor, da dem beklagten Land mit Erteilung der Genehmigung der Lastschriften nach dem Eröffnungsantrag eine Befriedigung gewährt worden ist. Dabei handelt es sich auch um eine kongruente Deckung, da die Insolvenzschuldnerin aufgrund gesetzlicher Anordnung Steuerzahlungen zu erbringen hatte.

Das beklagte Land hatte auch Kenntnis von dem Eröffnungsantrag, da der Beschluss des AG Köln vom 3.5.2007, mit dem der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden ist, im Internet am 4.5.2007 veröffentlicht worden ist und die Bekanntmachung nach § 9 Abs. 3 InsO zwei Tage nach der Veröffentlichung gegenüber ZIP 2009, Seite 929den Beteiligten als bewirkt gilt (HambKomm-InsO/Schmidt, § 130 Rz. 30). Auch die nach § 129 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung ist gegeben.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. §§ 819, 291, 288 BGB, da der Rückgewähranspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wird und die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (BGHZ 171, 38 = ZIP 2007, 488 = ZVI 2007, 185, dazu EWiR 2007, 313 (Gundlach/Frenzel)).

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