LG München I: Recht des GbR-Gesellschafters auf Mitteilung der Namen und Adressen der Mitgesellschafter

28.07.2009

BGB § 716

Recht des GbR-Gesellschafters auf Mitteilung der Namen und Adressen der Mitgesellschafter

LG München I, Urt. v. 13. 11. 2008 – 30 S 10664/08

Leitsatz der Redaktion:

Der Ausschluss des Rechts des Gesellschafters einer vermögensverwaltenden GbR auf Mitteilung von Namen und Adressen der Mitgesellschafter im Gesellschaftsvertrag ist jedenfalls dann unwirksam, wenn dadurch die Mitwirkung des Gesellschafters an der gesellschaftlichen Willensbildung beeinträchtigt wird, etwa durch fehlende Nachprüfbarkeit des Zustandekommens von Gesellschafterbeschlüssen.

Gründe:

I. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Mitteilung von Namen und Anschriften der weiteren Gesellschafter der Beklagten, hilfsweise Einsicht in die entsprechenden Unterlagen.

Mit Beitrittserklärung vom 15.2.2006 beteiligte sich die Klägerin an der Beklagten, einer GbR. In der Beitrittserklärung ist unter „wichtige Hinweise“ aufgeführt: „Dieses Beteiligungsangebot stellt keine festverzinsliche Kapitalanlage, sondern eine Beteiligung an einer vermögensverwaltenden GbR dar.“

Am 21.5.2008 erließ das AG München Endurteil: Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Namen und Anschriften der Mitgesellschafter mitzuteilen, Zug um Zug gegen Erstattung er hierfür erforderlichen Aufwendungen. Gegen das Endurteil legte die Beklagte Berufung ein.

II. Die Berufung erwies sich als unbegründet, da das Urteil des AG München der Sach- und Rechtslage entspricht.

§ 10 Nr. 12 des Gesellschaftsvertrages bestimmt: „Den Gesellschaftern stehen die Kontrollrechte gem. § 716 BGB zu.“

Allerdings bestimmt § 28, dass die geschäftsführende Gesellschafterin für alle Gesellschafter ein Register mit ihren persönlichen und beteiligungsbezogenen Daten führt. Nach § 28 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags dürfen Auskünfte über die Beteiligung und die eingetragenen Daten in dem erforderlichen Umfang nur dem zuständigen Finanzamt, dem den Gesellschafter betreuenden Vermittler oder zu Berufsverschwiegenheit verpflichteten Prüfern und Beratern der Gesellschaft erteilt werden; ein Gesellschafter hat danach keinen Anspruch auf Bekanntgabe der Daten anderer Gesellschafter.

Zu dem Recht der KG führt Hopt (in: Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., Anh. § 177a Rz. 72) aus, dass der Ausschluss des Rechts auf Mitteilung von Namen und Adressen der Mitgesellschafter im Gesellschaftsvertrag unwirksam sei.

Dies lässt sich auch sachlich begründen. Ganz grundsätzlich erscheint es schon äußerst fragwürdig, einen Gesellschaftsvertrag – auch wenn er durch jeweilige Beitrittserklärung abgeschlossen werden soll – anzunehmen, bei dem die weiteren Vertragspartner unbekannt bleiben sollen.

Dass eine derartige Regelung die Rechte des einzelnen Gesellschafters, an der gesellschaftlichen Willensbildung mitzuwir-ZIP Heft 30/2009, Seite 1426ken, über das erforderliche Maß entgegen Treu und Glauben einschränkt, ergibt sich schließlich aus Folgendem:

Nach § 12 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn sämtliche Gesellschafter ordnungsgemäß geladen und mehr als 50 % des tatsächlich eingezahlten Kapitals der Gesellschaft anwesend oder vertreten sind. Es ist deshalb nicht erkennbar, wie ein einzelner Gesellschafter die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses überprüfen können soll, wenn ihm Anzahl und Beteiligung der übrigen Gesellschafter nicht bekannt sind.

Weiter bedürfen nach § 12 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages alle Beschlüsse der Gesellschafter der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei sich nach § 12 Nr. 5 das Stimmrecht nach dem Stand des Kapitalkontos I in der Weise richtet, dass auf je volle 25 € der geleisteten Einlage eine Stimme entfällt. Auch um dies kontrollieren zu können, bedarf der einzelne Gesellschafter der Kenntnis der Zusammensetzung der weiteren Mitgesellschafter.

Ungeachtet dessen, ob § 12 Nr. 9 des Gesellschaftsvertrages (Ausschlussfrist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses) wirksam ist, geht der Gesellschaftsvertrag ersichtlich davon aus, dass der einzelne Gesellschafter die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zeitnah überprüfen können soll.

Nach § 9 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages kann die Gesellschafterversammlung ausnahmsweise mit einer Mehrheit von 90 % der stimmberechtigten Gesellschafter eine Kapitalerhöhung beschließen, die zu einer Nachschusspflicht führt. Auch für eine derartige Maßnahme muss eine Möglichkeit der Überprüfung des Abstimmungsergebnisses bestehen.

Nach § 13 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages findet eine außerordentliche Gesellschafterversammlung auf Antrag von Gesellschaftern statt, die mindestens 5 % des Kapitals vertreten. Diese Möglichkeit wäre dem einzelnen Gesellschafter, der nicht selbst über 5 % des Kapitals verfügt, genommen, wenn er nicht selbstständig – d.h. ohne Mitwirkung des geschäftsführenden Gesellschafters – mit anderen Mitgesellschaftern Kontakt aufnehmen könnte. Gerade nämlich bei Streitigkeiten, die das Vertrauensverhältnis zwischen einem einzelnen Gesellschafter und dem geschäftsführenden Gesellschafter betreffen, erschiene die von der Beklagten vorgeschlagene Lösung der Kontaktaufnahme vermittelt durch den geschäftsführenden Gesellschafter als wenig zweckmäßig.

Die Möglichkeit, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen zu wollen, kann nicht dadurch in Abrede gestellt werden, dass Anliegen auch auf einer ordentlichen Gesellschafterversammlung vorgebracht werden könnten.

Darüber hinaus muss es dem einzelnen Gesellschafter ggf. möglich sein, eigene Informationen betreffend die Gesellschaft an andere Mitgesellschafter zu geben. Die Annahme, dass dies etwa über Internetforen oder ähnliches geschehen könne, erscheint mehr als zweifelhaft, solange nicht gewährleistet ist, dass die übrigen Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass schon die Regelungen des Gesellschaftsvertrages der Annahme der Wirksamkeit von § 28 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages entgegenstehen. Vielmehr bedürfen die einzelnen Gesellschafter dieser Kenntnisse, um die im Gesellschaftsvertrag (und im Gesetz) vorgesehenen Rechte wirksam ausüben zu können.

Darüber hinaus ist im Gesellschaftsvertrag selbst vorgesehen, dass das Recht aus § 716 BGB uneingeschränkt besteht. Dies entspricht auch den Anforderungen der Rechtsprechung des BGH (ZIP 1988, 1175 = WM 1988, 1447, dazu EWiR 1988, 1221 (Vossel)). Dabei muss sich allerdings schon die Frage stellen, inwieweit die von der Klagepartei geforderten Angaben von denjenigen im Gesellschafterregister abzugrenzen sind. So ist etwa nicht ohne Weiteres einsichtig, dass sich die von den einzelnen Gesellschaftern erbrachten (oder zu erbringenden) Einlagen nicht aus den Unterlagen ergeben, die dem Einsichtsrecht nach § 716 BGB unterliegen.

Da das Recht nach § 716 BGB jedoch uneingeschränkt gewährleistet werden soll, ist nicht ohne Weiteres erkennbar, welche schützenswerten Belange von Mitgesellschaftern der Information entgegenstehen sollen.

In diesem Zusammenhang kommt dem Hinweis in der Beitrittserklärung, dass es sich nicht um eine „fest verzinsliche Kapitalanlage“, sondern eine Beteiligung an einer vermögensverwaltenden GbR handelt, Bedeutung zu. Es handelt sich gerade nicht um eine Kapitalanlage, bei der Kapitaleinsatz und im Übrigen der Wunsch nach größtmöglicher Anonymität im Vordergrund steht, sondern um den Beitritt zu einer Gesellschaft, der mit gegenseitigen Rechten und Pflichten verbunden ist. Ein schutzwürdiges Recht auf Anonymität (gegenüber dem Mitgesellschafter), das das Interesse des Mitgesellschafters an der Wahrnehmung der gesellschaftsvertraglichen Rechte übersteigen würde, ist jedenfalls nicht erkennbar. Dementsprechend kann hier die Notwendigkeit einer Zustimmung des jeweiligen Mitgesellschafters in die Mitteilung von Namen und Adressen (so Baumbach/Hopt, a.a.O., Anh. § 177a Rz. 72) nicht gesehen werden.

Unter Verweis auf MünchKomm-Ulmer, BGB, 4. Aufl., § 716 Rz. 12, sieht die Beklagte zu Recht, dass ein Auskunftsanspruch auch im Rahmen des § 716 Abs. 1 BGB ausnahmsweise anzuerkennen sei, wenn entweder Bücher und Geschäftspapiere nicht vorhanden sind oder aus sonstigen Gründen keine geeignete Grundlage für die Beschaffung von Informationen bilden.

Ausweislich § 28 des Gesellschaftsvertrages werden die Daten des Gesellschafterregisters auf EDV-Anlagen gespeichert und genutzt. Hierbei ergeben sich nun verschiedene Möglichkeiten. Wenn es der Beklagten mit dem Einsichtsrecht ernst wäre, müsste der Klägerin der Zugriff auf die Daten in der elektronischen Datenverwaltung gewährt werden. Dies ginge jedoch über das Rechtsschutzziel der Klägerin hinaus, da nicht ohne Weiteres gewährleistet sein dürfte, dass bei einem gewährten Zugang auf die elektronische Datenverwaltung der Zugriff auf die tatsächlich begehrten Daten beschränkt werden kann.

Um dieses Problem zu vermeiden, kann die Beklagte die gewünschten Daten in Papierform ausdrucken. Insoweit handelt es sich bereits um eine anderweitige Verkörperung der grundsätzlich einsichtspflichtigen Unterlagen. Insoweit ist dem AG beizupflichten, dass dann auch die bereits zum Zwecke der ZIP Heft 30/2009, Seite 1427Einsicht zuerst gestellten Unterlagen der Klagepartei gegen Kostenerstattung auszuhändigen sind. Dass die Klägerin nicht Gesellschafterin war, behauptet die Beklagte nicht.

Die Revision war zuzulassen, da es sich um eine Rechtsfrage handelt, die zum einen über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat, zum anderen noch nicht abschließend durch den BGH entschieden werden konnte.

<hinweis>

Anmerkung der Redaktion:

Die Revision ist anhängig beim BGH unter dem Az. II ZR 264/08.

</hinweis>

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