LG Traunstein: Zur Entlassung des Insolvenzverwalters wegen Verstoßes gegen einen Beschluss der Gläubigerversammlung

08.01.2010

InsO §§ 59, 75, 159, 160

Zur Entlassung des Insolvenzverwalters wegen Verstoßes gegen einen Beschluss der Gläubigerversammlung

LG Traunstein, Beschl. v. 13. 7. 2009 – 4 T 1939/09, 4 T 1990/09 (AG Rosenheim)

Leitsätze der Redaktion:

1. Ein Verstoß des Insolvenzverwalters gegen einen Beschluss der Gläubigerversammlung rechtfertigt nicht ohne Weiteres seine Entlassung.

2. Das Insolvenzgericht ist verpflichtet, auf Antrag des Insolvenzverwalters eine Gläubigerversammlung einzuberufen.

Gründe:

I. Mit Schreiben vom 6.5.2008 stellte die Betriebskrankenkasse F. gegen den Schuldner wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge i.H. v. 6.575,12 € Insolvenzantrag. Das AG Rosenheim ordnete mit Beschluss vom 4.7.2008 vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte Rechtsanwalt K. als vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 30.9.2008 eröffnete das AG Rosenheim das Insolvenzverfahren und bestellte K. als Insolvenzverwalter. Mit Schriftsatz vom 7.11.2008 beantragte der Schuldner die Einstellung des Verfahrens nach § 212 InsO.

Im Bericht zum Prüfungstermin vom 27.11.2008 fassten die Gläubiger folgenden Beschluss: „Beschlüsse und Entscheidungen zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen und zur Verwertung der Masse nach §§ 159, 160 ff. InsO werden zurückgestellt, bis über den Antrag des Schuldners nach §§ 212, 213 InsO rechtskräftig entschieden ist.“

Mit einem am 24.11.2008 bei Gericht eingegangenen Schreiben stellte der Schuldner den Antrag, über seinen Traktor und den Kipper weiterhin verfügen zu können, da er diese Geräte zum Lebensunterhalt benötige.

Mit Beschluss vom 10.2.2009 wies das AG Rosenheim den Antrag des Schuldners, das Verfahren nach § 212 InsO einzustellen, als unzulässig zurück. Die sofortige Beschwerde des Schuldners hiergegen wurde mit Beschluss des LG Traunstein vom 29.5.2009 zurückgewiesen (4 T 875/09).

Mit Schreiben vom 15.1.2009 und 9.2.2009 verlangte der Schuldner die „Ablösung“ des Insolvenzverwalters. Mit Schreiben vom 25.3.2009 führte er erneut aus, dass er Traktor und Kipper für Forstarbeiten seiner Landwirtschaft benötige. Mit Schreiben vom 15.4.2009 teilte der Schuldner mit, dass der Insolvenzverwalter Traktor und Kipper habe versteigern lassen. Er beantragte, den Insolvenzverwalter zu entbinden.

Mit Beschluss vom 15.6.2009 entließ das AG Rosenheim den bisherigen Insolvenzverwalter aus wichtigem Grund gem. § 59 InsO aus seinem Amt. Es liege eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Das Verhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht sei durch die Pflichtverletzung in einem Maß gestört, dass an ein gedeihliches Zusammenarbeiten künftig in einem konkreten Verfahren nicht mehr zu denken sei. Der Insolvenzverwalter habe auch selbst mitgeteilt, dass mit dem Schuldner kein Kontakt bestehe. Es sei jedoch auch die Arbeit mit dem Schuldner selbst für eine Verfahrensabwicklung wichtig. Mit Beschluss vom 15.6.2009 bestellte das AG Rosenheim Frau Rechtsanwältin B. (vorläufig) zur Insolvenzverwalterin.

Mit Schriftsatz vom 19.6.2009 legte der Insolvenzverwalter gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein. Er beantragte außerdem erneut die Einberufung einer Gläubigerversammlung. Mit Beschluss vom 23.6.2009 wies das AG Rosenheim den Antrag zur Einberufung einer Gläubigerversammlung zurück.

Mit Schriftsatz vom 22.6.2009 beantragten die Gläubiger A. und J. die Abhaltung einer Gläubigerversammlung. Hierauf beschloss das AG Rosenheim am 24.6.2009, dass die Entscheidung über die Einberufung einer Gläubigerversammlung auf Antrag der Gläubiger A. und J. zurückgestellt werde, bis über die Absetzung des Rechtsanwalts K. als Insolvenzverwalter rechtskräftig entschieden sei. Gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts Rosenheim vom 23.6.2009 legte K. sofortige Beschwerde ein. Nach § 75 Abs. 1 InsO sei die Gläubigerversammlung auf Antrag des Insolvenzverwalters zwingend einzuberufen.

Das AG Rosenheim half der sofortigen Beschwerde des Insolvenzverwalters vom 19.6.2009 nicht ab.

II. 1. Gegen den Beschluss des AG Rosenheim vom 15.6.2009, mit dem der Insolvenzverwalter aus wichtigem Grund entlassen wurde, ist gem. § 6 Abs. 1, § 59 Abs. 2 Satz 1 InsO die sofortige Beschwerde statthaft. Diese wurde auch fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist gem. § 6 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt und ist somit zulässig.

2. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 15.6.2009 ist auch begründet.

a) Der Beschluss ist nicht aus formellen Gründen aufzuheben. Ob die Entscheidung über die Entlassung des Insolvenzverwalters vom Richter zu erlassen ist, weil dieser den Insolvenzverwalter auch bestellt hat (so AG Göttingen ZIP 2003, 590 = ZInsO 2003, 289, dazu EWiR 2003, 935 (Keller)), oder nach § 3 Nr. 2 lit. e RPflG vom Rechtspfleger (so AG Braunschweig ZInsO 2009, 97; LG Braunschweig NZI 2008, 620), ist streitig. Dies kann allerdings dahinstehen, da nach § 8 Abs. 1 RPflG auch eine funktionale Zuständigkeit des Rechtspflegers nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses führt.

b) Der Beschluss war aufzuheben, da die Voraussetzungen für die Entlassung des Insolvenzverwalters nach § 59 InsO nicht vorliegen. Die vom AG Rosenheim im angegriffenen Beschluss angeführte Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters liegt nicht vor. Eine Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters, der zu seiner Entlassung führen könnte, läge vor, wenn er entgegen einem Beschluss der Gläubigerversammlung gehandelt hätte. Dies hat er jedoch nicht getan.

Unstreitig hat der Insolvenzverwalter über die Verwertungsgesellschaft P. GmbH verschiedene bewegliche Gegenstände, so einen Traktor, einen Ladewagen und diverses Werkzeug, verwertet. Dies geschah auch vor der rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag des Schuldners nach §§ 212, 213 InsO. Diese Verwertungshandlungen verstießen jedoch nicht gegen den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 27.11.2008. Nach dem völlig eindeutigen Wortlaut dieses Beschlusses wurden Beschlüsse und Entscheidungen zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen und zur Verwertung der Masse nach §§ 159, 160 InsO zurückgestellt, bis über den Antrag des Schuldners nach §§ 212, 213 InsO rechtskräftig entschieden ist. Der Beschluss bezog sich also eindeutig nur auf Beschlüsse und Entscheidungen, nicht auf jegliche Verwertungshandlungen. Für die vorgenommene Verwertung von Inventar bedarf der Insolvenzverwalter gerade keines Beschlusses der Gläubigerversammlung. Wenn ein Beschluss in dem Sinne hätte getroffen werden sollen, dass der Insolvenzverwalter bis zur Ent-ZIP 2009, 2461scheidung über die Einstellung des Verfahrens überhaupt keine Verwertung hätte vornehmen sollen, dann hätte der Beschluss in etwa wie folgt gelautet: „Der Insolvenzverwalter wird angewiesen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einstellungsantrag keine Verwertungshandlungen vorzunehmen.“ Dies kann aus dem Beschluss vom 27.11.2008, durch den im Übrigen Beschlüsse und Entscheidungen „(scil.) der Gläubigerversammlung“ zurückgestellt wurden, jedoch gerade nicht herausgelesen werden. Dies ergibt sich daraus, dass eine gesetzliche Verwertungspflicht des Verwalters besteht, sofern die Gläubiger nichts anderes beschlossen haben (vgl. MünchKomm-Görg, InsO, 2. Aufl., 2008, § 159 Rz. 3). Schon allein begrifflich fällt die reine Verwertung der Insolvenzmasse nicht unter die im Beschluss der Gläubigerversammlung genannten Begriffe „Beschlüsse und Entscheidungen“.

Selbst wenn man davon ausginge, dass der Insolvenzverwalter gegen den Beschluss der Gläubigerversammlung verstoßen hätte, würde dies zwar ggf. zu Schadensersatzforderungen führen (vgl. MünchKomm-Görg, a.a.O., § 159 Rz. 121). Es wäre dann jedoch unter den vorliegenden Umständen unverhältnismäßig, wegen eines solchen Verstoßes den Insolvenzverwalter zu entlassen. Als nämlich das AG Rosenheim mit Beschluss vom 15.6.2009 K. aus dem Amt entließ, hatte die Beschwerdekammer des LG Traunstein bereits mit Beschluss vom 29.5.2009 die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen die Ablehnung der Einstellung des Verfahrens zurückgewiesen. Zwar lag dem AG Rosenheim am 15.6.2009 dieser Beschluss des LG offenbar noch nicht vor, eine Erkundigung beim LG über den Verfahrensstand hätte jedoch Aufschluss gebracht. Gegebenenfalls hätte noch abgewartet werden können, ob gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Mit rechtskräftiger Zurückweisung der Beschwerde des Schuldners war der Insolvenzverwalter ohnehin zu Verwertungshandlungen aller Art berechtigt.

c) Da die Beschwerde des bisherigen Insolvenzverwalters erfolgreich war, ist die (vorläufig) neu bestellte Insolvenzverwalterin zu entlassen und der bisherige Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht wieder zu bestellen (MünchKomm-Graeber, InsO, 2. Aufl., 2007, § 59 Rz. 61).

3. Auch gegen den Beschluss des AG Rosenheim vom 23.6.2009, mit dem der Antrag des Insolvenzverwalters auf Einberufung der Gläubigerversammlung zurückgewiesen wurde, ist gem. § 6 Abs. 1, § 75 Abs. 3 InsO die sofortige Beschwerde statthaft. Diese wurde auch fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist gem. § 6 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt und ist somit ebenfalls zulässig.

4. Auch die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 23.6.2009 ist begründet. Nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist zwingend auf Antrag des Insolvenzverwalters eine Gläubigerversammlung einzuberufen. K. war zu diesem Antrag antragsbefugt. Er hatte bereits mit Schriftsatz vom 27.5.2009 die Einberufung einer Gläubigerversammlung beantragt und hierbei auch eine entsprechende Tagesordnung angegeben. Die Entlassung von K. als Insolvenzverwalter erfolgte erst am 15.6.2009, also nach dem Antrag auf Einberufung der Gläubigerversammlung. Die Entlassung von K. macht den Antrag nicht unwirksam. Gegebenenfalls hätte nach Entlassung von K. als Insolvenzverwalter die neu bestellte Insolvenzverwalterin den Antrag wieder zurücknehmen können. Das Insolvenzgericht hatte jedoch kein Ermessen, den Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung zurückzuweisen.

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