OLG Celle: Schenkungsanfechtung von Parteispenden

14.08.2009

InsO §§ 134, 143 Abs. 2

Schenkungsanfechtung von Parteispenden

OLG Celle, Urt. v. 9. 7. 2009 – 13 U 18/09

Leitsätze der Redaktion:

1. Parteispenden des späteren Insolvenzschuldners können als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO angefochten und zurückverlangt werden, wenn es sich nicht um geringwertige Zuwendungen handelt.

2. Eine Partei muss für die Einrede der Entreicherung nach § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO die Verwendung der angefochtenen Spendengelder substanziiert darlegen.

Zum Sachverhalt:

Die Kläger machen jeweils in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen von vier verschiedenen Firmen die Rückzahlung von Parteispenden nach Insolvenzanfechtung geltend. Aufgrund von Eigenanträgen vom 20.2.2006 wurden mit Beschlüssen vom 28.4.2006 des AG Hannover, Insolvenzgericht, die Insolvenzverfahren über das jeweilige Vermögen der Insolvenzschuldnerinnen eröffnet und der jeweilige Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Jede der Insolvenzschuldnerinnen hatte am 31.1.2003 bzw. 3.2.2003 an die Beklagte, eine politische Partei, eine Spende i.H. v. 5.000 € überwiesen. Die Beklagte bestätigte, dass die Spenden für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden würden. Eine Gegenleistung war weder vereinbart noch gewährt worden. Die Landtagswahlen fanden am 2.2.2003 statt. Am Vortag der Wahl schaltete die Beklagte eine ca. 250.000 € teure Anzeigenkampagne in den lokalen Tageszeitungen.

Mit Schreiben vom 5. und 6.12.2006 wurden die Spendenzahlungen seitens des jeweiligen Insolvenzverwalters angefochten und die Rückzahlung zur Insolvenzmasse gefordert.

Das LG Hannover hat die Klage mit Urteil vom 1.12.2008 abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Kläger hat Erfolg. Ihnen steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückgewähr der streitgegenständlichen Parteispenden nach den § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO zu. Die Spenden wurden in anfechtbarer Weise an die Beklagte überwiesen; die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf Entreicherung (§ 143 Abs. 2 InsO) berufen.

Im Einzelnen:

1. Das LG hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte die Parteispenden in anfechtbarer Weise erhalten hat. Auf die betreffenden Darlegungen im angefochtenen Urteil wird daher Bezug genommen.

Ob Parteispenden gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke i.S.v. § 134 Abs. 2 InsO sein können, lässt der Senat allerdings offen. Jedenfalls waren sie im vorliegenden Fall nicht „geringen Werts“.

2. Ergänzend gilt Folgendes:

a) Anlass für die von der Beklagten postulierte „verfassungskonforme Extension des § 134 Abs. 2 InsO“ besteht nicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nach § 134 Abs. 2 InsO auch bei Parteispenden auf die Geringwertigkeit der Zuwendungen an. Den von der Beklagten für ihre abweichende Auffassung angeführten Zitaten aus der Literatur ist – soweit ersichtlich – nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Soweit dort vertreten wird, dass es sich bei einer Parteispende um ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk i.S.d. § 134 Abs. 2 InsO handelt, wird dadurch nicht zugleich die gesetzliche Beschränkung auf geringwertige (Hervorhebung des Gerichts) Geschenke negiert, die im Interesse der Insolvenzgläubiger geboten ist (vgl. z.B. MünchKomm-Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 134 Rz. 46 a.E.). Rechtsprechung, die die Auffassung der Beklagten belegen soll, ist ebenfalls nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht zitiert.

b) Der Senat sieht im Übrigen auch sonst keine Veranlassung für die von der Beklagten geforderte „erweiterte“ Auslegung des § 134 Abs. 2 InsO.

Der Gesetzgeber hat die notwendige Abwägung zwischen den Interessen der Gläubiger und den Interessen des Empfängers einer unentgeltlichen Zuwendung in der Weise getroffen, dass er die Anfechtungsmöglichkeit auf einen – wenn auch mit vier Jahren nicht unerheblichen – bestimmten Zeitraum begrenzt hat. Dem Empfänger einer unentgeltlichen Leistung steht es in Kenntnis dieser gesetzlichen Regelung frei, entweder Rückstellungen zu bilden oder – im Hinblick auf eine etwaige Entreicherung – zumindest eine entsprechende Dokumentation anzulegen. Dies gilt auch für Parteispenden.

Die von der Beklagten beschriebene Gefahr, dass Spenden juristischer Personen nunmehr stets aus Vorsichtsgründen nicht mehr zweckentsprechend verwendet werden könnten, besteht nach Überzeugung des Senats vor diesem Hintergrund nicht. Im Übrigen handelt es sich nach allgemeiner Lebenserfahrung ohnehin nur um den geringsten Teil erfolgter unentgeltlicher Zuwendungen, die im Rahmen einer Insolvenzanfechtung zurückgefordert werden (können).

3. Entgegen der Auffassung des LG hat die Beklagte nicht hinreichend substanziiert dargelegt, dass sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Spenden entreichert ist (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Zwar hat sie in der Klageerwiderung unter Vorlage ihrer Einnahmen- und Ausgabenrechnungen, des Haushaltsplans und der Vermögensbilanz für das Jahr 2003 nachvollziehbar ausgeführt, dass ihre Mittel zum Zeitpunkt kurz vor der Landtagswahl ausgeschöpft waren und sogar eine Unterdeckung vorlag. Zu ihren Gunsten mag auch angenommen werden, dass die Ankündigung der Spendenzuwendungen seitens der Gemeinschuldnerinnen in ihre Entscheidung, kurz vor der Wahl noch eine ca. 250.000 € teure Anzeigenkampagne zu starten, mitbestimmend eingeflossen ist.

Auch auf den Hinweis des Senats vom 3. April 2009 konnte die Beklagte aber nicht konkret darlegen, in welcher Höhe sie im Vorfeld der Wahl und im Hinblick auf die geplante Anzeigenkampagne überhaupt Spenden gesammelt hatte („über 200.000 €“). Zudem ergeben die von ihr vorgelegten Rechnungen der Verlagsgesellschaft und Werbeagenturen lediglich einen Gesamtrechnungsbetrag i.H. v. rund 205.000 €, so dass die von ihr behauptete Größenordnung der Kosten der Kam-ZIP Heft 32/2009, Seite 1532pagne i.H. v. („ca.“) 250.000 € nicht hinreichend konkret dargestellt und belegt ist. Ob und in welchem Umfang die gesammelten Spenden – einschließlich der streitgegenständlichen – mithin tatsächlich für die Anzeigenkampagne verwendet worden sind, ist daher nach wie vor unklar. Denkbar ist insoweit sowohl, dass das Spendenaufkommen höher war als die tatsächlich für die Kampagne entstandenen Kosten, als auch, dass die Spenden nicht ausreichten, um die betreffenden Kosten vollständig auszugleichen. In beiden Fällen wäre keine Entreicherung eingetreten, weil entweder ein – vom Senat nicht bezifferbarer – Überschuss erwirtschaftet oder das bestehende Haushaltsdefizit gleichsam „sehenden Auges“ vergrößert worden wäre, es mithin an einer „Luxusausgabe“ gefehlt hätte.

Der Senat sieht zwar die Schwierigkeiten der Beklagten, angesichts des Zeitablaufs eine genaue Dokumentation vorzulegen. Dennoch können diese – selbst zu verantwortenden – Dokumentationsmängel prozessual nicht dazu führen, dass die Beklagte ihrer Substanziierungspflicht enthoben wäre.

<einsender></einsender>Mitgeteilt von RA Hans Christian Schwenker, Celle</einsender><//einsender>

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