OLG Frankfurt/M.: Zur Aufklärungspflicht einer Bank bei Beratung über ein Zinsswap-Geschäft

11.09.2009

BGB § 280 Abs. 1

Zur Aufklärungspflicht einer Bank bei Beratung über ein Zinsswap-Geschäft

OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29. 7. 2009 – 23 U 76/08

Leitsätze des Gerichts:

1. Die Bank ist nicht verpflichtet, im Rahmen einer ordnungsgemäßen anleger- und objektgerechten Beratung über den Gewinn bzw. die Gewinnmarge aufzuklären, da es offensichtlich ist, dass die Bank mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den verdeckten Rückvergütungen ist nicht übertragbar.

2. Es stellt jedenfalls nicht immer eine Verletzung der Pflichten aus dem Beratungsvertrag dar, wenn die Bank nicht über den negativen Marktwert und dessen Höhe aufklärt.

3. Historische Marktdaten lassen grundsätzlich keine verlässliche Prognose über das zukünftige Marktgeschehen zu, gesicherte Rückschlüsse von historischen Daten auf die zukünftige Entwicklung des Spreads sind nicht möglich.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und die Rückabwicklung eines Zinsswap-Geschäfts.

Am 7. April 2005 besuchten Mitarbeiter der Beklagten die Klägerin für eine Präsentation gegenüber deren Geschäftsführer und einer Mitarbeiterin. Mit ihrer Präsentation offerierte die Beklagte den Abschluss eines CMS-Spread-Sammler-Swaps, mit dem die Beklagte sich verpflichten sollte, auf ein zu bestimmendes Nominalvolumen einen festen, auf das Jahr berechneten Zinssatz halbjährlich an die Klägerin zu zahlen (konkret: 3 % p.a.), während die Klägerin sich verpflichten sollte, auf dieses Nominalvolumen einen festen, auf das Jahr berechneten Zinssatz (konkret: 2 % p.a.) zzgl. eines weiteren Zinssatzes in Abhängigkeit zur Häufigkeit des Unterschreitens des Abstands zwischen dem auf dem Interbankenmarkt gehandelten 10-Jahres-Swap-Mittelsatz (EUR CMS10) und dem 2-Jahres-Swap-Mittelsatz (EUR CMS2) unter bestimmte definierte Schwellenwerte halbjährlich zu zahlen. Die Formel für die Zahlungspflicht der Klägerin wurde wie folgt dargestellt:

2 % + 5 % x 2N/D,

wobei

N = die Anzahl der Bankarbeitstage in der betreffenden Halbjahresperiode, an denen die Differenz (Spread) zwischen den beiden Swapsätzen (EUR CMS10 minus EUR CMS2) unterhalb der Schwellen von

0,90 % für die Halbjahresperioden 1 und 2

0,85 % für die Halbjahresperioden 3 und 4

0,80 % für die Halbjahresperioden 5 und 6

0,75 % für die Halbjahresperioden 7 und 8

0,70 % für die Halbjahresperioden 9 und 10

notiert,

und D = die Gesamtzahl der Bankarbeitstage in der jeweiligen Halbjahresperiode sein sollte.

Die Zahlungspflicht der Klägerin sollte gleichwohl auf einen auf das Jahr gerechneten Zinssatz von 7 % beschränkt bleiben. Das offerierte Swap-Geschäft sollte eine Laufzeit von fünf Jahren haben. Die Beklagte sollte erstmals zum Ablauf der zweiten Halbjahresperiode das Recht haben, das Geschäft halbjährlich zu kündigen.

Bei den erwähnten Swapsätzen CMS10 und CMS2 handelt es sich um Mittelsätze von auf dem Interbankenmärkten gehandelten Standardswaps, die eine Laufzeit von 10 Jahren (CMS10) bzw. 2 Jahren (CMS2) haben. Eine Seite dieses Swap-Geschäfts hat einen festen jährlichen Zinssatz zu zahlen, während die andere Seite verpflichtet ist, einen Zinssatz in Höhe des 6-Monats-Euribor (Euro-Interbank-Offered-Rate) zu zahlen.

Die Klägerin erklärte sich, vertreten durch ihren Geschäftsführer, noch am selben Tage mit dem Abschluss des Geschäftes zu einem Nominalvolumen von 4 Mio. € einverstanden. Die Beklagte bestätigte den Abschluss des Vertrages mit Schreiben vom 12. April 2005.

In Anwendung und unter Ausgleichung der beiderseitigen vertraglichen Zahlungspflichten zahlte die Klägerin am 1. Dezember 2005 ZIP Heft 36/2009, Seite 1709und 1. Juli 2005 jeweils 80.000 €. Weiterhin zahlte sie auf Anfordern der Beklagten am 22. Januar 2007 an diese 80.000 € unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 6.5.2009 das Vertragsverhältnis zum 1.6.2009 gekündigt.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin bereits vor dem Abschluss des streitgegenständlichen Zinsswap-Geschäfts zwischen den Jahren 1999 und 2004 weitere Swap-Geschäfte mit der Beklagten getätigt hat. Die Klägerin konnte aus diesen Swap-Geschäften 304.748,53 € zu ihren Gunsten realisieren.

Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Zahlungen i.H. v. 240.000 € aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Die Formel zur Berechnung der zu zahlenden Zinsen sei als AGB zu qualifizieren, die wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sei.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie verfolgt damit ihren Klageabweisungsantrag weiter. Darüber hinaus beantragt sie widerklagend, die Klägerin zur Zahlung von insgesamt 319.999,99 € zu verurteilen.

Gründe:

II. Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sie hat auch in der Sache Erfolg.

Es liegt ein Berufungsgrund i.S.d. § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des LG beruht im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO bzw. nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen nach § 812 BGB noch einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten des Beratungsvertrages nach § 280 bzw. aus § 826 BGB.

Rechtsfehlerhaft ist das LG davon ausgegangen, dass die Vertragsklausel zur Berechnung der Zahlungspflichten der Parteien gegen das Transparenzgebot verstoße und unwirksam sei und es deshalb an einem Rechtsgrund für die Zahlungen der Klägerin fehle. Es kann letztlich dahinstehen, ob es sich hierbei um eine AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist jedenfalls nicht erkennbar.

Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar, einfach und präzise darzustellen. Dabei gebieten die Grundsätze von Treu und Glauben, dass die Klausel wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dabei sind auch die Fähigkeiten und Kenntnisse des Vertragspartners zu berücksichtigen. Die Transparenzanforderungen dürfen allerdings auch nicht überspannt werden. Bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 307 Rz. 16 – 19).

Es ist unzutreffend, dass, wie das LG meint, der Prozentsatz von 3 % suggeriere, dass der Kunde 3 % vom Nominalvolumen pro Jahr höchstmöglich gewinnen könne und die hiervon abzuziehende Zahlungspflicht des Kunden jeweils ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliege, so dass der Kunde zumindest theoretisch die Vorstellung habe, seine variable Zahlungspflicht könne gegen Null gehen. Die Formel zur Berechnung der Zahlungspflichten der Parteien gibt hierfür keinen Anlass. Es ist eindeutig erkennbar, dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen in der Präsentation und im Termsheet, dass die Klägerin immer mindestens 2 % zu zahlen hat. Dieser Zinssatz war feststehend. Angesichts der auf 3 % begrenzten Zahlung der Beklagten konnte der Gewinn der Klägerin maximal 1 % betragen. Aus den Erklärungen in der Präsentation und im Termsheet ergibt sich, dass der Kunde halbjährlich 3 % empfängt und mindestens 2 % zu zahlen hat. Der höchstmögliche Gewinn von 1 % lässt sich durch einfache Subtraktion ermitteln. Es kann dem LG auch nicht dahin gehend gefolgt werden, dass durch den Vollzug dieses Rechenschritts das Risiko eines Missverständnisses beim Kunden entstehe, wenn er ihn bei seinen Überlegungen aus Versehen unterlässt oder sich angesichts der Komplexität des Geschäfts nicht die Mühe machen will, das Geschäft mathematisch richtig zu verstehen. Wie bereits dargestellt, ist auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen. Von einem solchen kann verlangt werden, dass er die Durchführung dieses einfachen Rechenschritts bedenkt und berücksichtigt.

Ebenso verstößt die Formulierung der Zahlungspflicht der Klägerin mit der Formel 5 % x 2 N/D nicht gegen das Transparenzgebot. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Formel eine falsche Gewinn- und Verlustperspektive vermittelt, wenn der Kunde die Verdoppelung übersieht bzw. bei seinen Überlegungen versehentlich nicht berücksichtigt. Für einen sorgfältigen und aufmerksamen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr ergibt sich eindeutig, dass der Faktor 5 % zu verdoppeln ist, insbesondere im Hinblick darauf, dass im Termsheet Rechenbeispiele zu finden sind, welche die Multiplikation mit dem Faktor 2 berücksichtigen. Im Übrigen ist hierbei zu beachten, dass durch den Faktor 2 verdeutlicht wird, dass die Tage, an denen der Schwellenwert unterschritten wird, doppelt gezählt werden. Dies würde jedoch dann bei Anwendung der von dem LG vorgeschlagenen Formel 10 % x N/D nicht mehr deutlich, so dass hierdurch die Gefahr einer fehlenden Transparenz entstehen würde.

Im Übrigen ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer der Klägerin, mit diesem wurde das Beratungsgespräch geführt, ein promovierter Chemiker ist. Als solcher dürfte er mit mathematischen Formeln vertraut und sicherlich in der Lage sein, die Notwendigkeit der Durchführung dieser einfachen Rechenschritte zu erkennen und diese durchzuführen.

Es liegt auch keine Verletzung von Aufklärungspflichten aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Beratungsvertrag vor.

Zwischen den Parteien ist zumindest konkludent ein Beratungsvertrag geschlossen worden. Ein solcher kommt auch ohne ausdrückliche Abrede und ohne Vereinbarung eines Beratungsentgeltes zustande, wenn ein Anlageinteressent bei einer konkreten Anlageentscheidung die Hilfe des Kreditinstitutes in Anspruch nimmt und sich dieses auf die Beratung ein-ZIP Heft 36/2009, Seite 1710lässt (BGHZ 123, 126, 128 = ZIP 1993, 1148, dazu EWiR 1993, 857 (Köndgen); BGH ZIP 2000, 1392 = NJW 2000, 3275, dazu EWiR 2000, 1101 (Frisch)). Ein stillschweigender Vertragsabschluss ist bereits zu bejahen, wenn die Bank erkennt, dass der Kunde das Ergebnis der Beratung zur Grundlage seiner Entscheidung machen will (BGHZ 123, 126, 128 = ZIP 1993, 1148; BGH ZIP 2000, 1392 = NJW 2000, 3275). Die Mitarbeiter der Beklagten sind unstreitig an den Geschäftsführer der Klägerin herangetreten und haben diesem den CMS-Spread-Sammler-Swap am 7.4.2005 präsentiert. Dabei wurden die Erfolgsaussichten des Swaps dargestellt. Der Geschäftsführer der Klägerin machte die Informationen sowie die mitgeteilte Einschätzung der Mitarbeiter der Beklagten erkennbar zur Grundlage seiner Anlageentscheidung. Der Umstand, dass es sich bei dem CMS-Spread-Sammler-Swap um ein Eigenprodukt der Beklagten handelt, steht der Annahme eines Beratungsvertrages nicht entgegen. Dieser Umstand musste vielmehr aus dem Blickwinkel der Klägerin besonderes Vertrauen in die Fach- und Sachkunde der Berater begründen.

Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein (BGHZ 123, 126 = ZIP 1993, 1148). Der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjektes ergeben, sind hierbei maßgeblich. Der Interessent ist über alle für die Anlageentscheidung relevanten Umstände und Risiken richtig und vollständig zu informieren (BGHZ 123, 126 = ZIP 1993, 1148). Darüber hinaus schuldet der Anlageberater die fachkundige Bewertung der mitgeteilten Informationen (BGH NJW 1993, 1114; BGH ZIP 2007, 636 = NJW-RR 2007, 621).

Während die Aufklärung über die allgemeinen und speziellen Risiken richtig und vollständig zu sein hat (BGH ZIP 2000, 962 = WM 2000, 1141, 1142, dazu EWiR 2001, 315 (Lang)), muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein (BGH ZIP 2006, 891 (m. Bespr. Puszkajler/Weber, ZIP 2007, 401) = WM 2006, 851, dazu EWiR 2006, 391 (Allmendinger); Nobbe-Horn/Schimanski, Bankrecht, 1998, S. 235, 248).

Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt grundsätzlich der Anleger (BGH ZIP 2000, 962 = WM 2000, 1141, 1142).

Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Klägerin über ihre eigenen Interessen, insbesondere über den Gewinn bzw. über die Gewinnmarge, aufzuklären. Die Rechtsprechung, auf die sich die Klägerin und das LG beziehen (BGHZ 170, 226 = ZIP 2007, 518 (m. Anm. Lang/Balzer), dazu EWiR 2007, 217 (Hanten/Hartig)), betrifft die Zahlungen von Provisionen oder Rückvergütungen, die von Dritten oder an Dritte gezahlt werden und aus denen sich ergeben kann, dass die Vermittlung eines Anlageproduktes nicht nur im Kundeninteresse, sondern auch im Interesse der Erlangung dieser Zahlung erfolgen kann. Der Kunde hat dann ein Interesse daran zu erfahren, wie hoch das Eigeninteresse ist. Vorliegend bestand aber kein derartiges Provisionsinteresse, die Beklagte selbst war Vertragspartnerin, auch wenn sie ihre Risiken durch den Abschluss von Hedgegeschäften abgesichert hat. Es war offensichtlich, dass die Beklagte mit einer Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat, denn sonst hätte sie das Geschäft sicherlich nicht angeboten und abgeschlossen. Hierüber muss nicht gesondert aufgeklärt werden. Im Übrigen musste die Gewinnmarge nicht gesondert gezahlt werden, da sie in die Zahlungsstruktur „eingepreist“ war.

Die Gewinnmarge hätte erst im Falle einer von der Klägerin gewünschten vorzeitigen Vertragsauflösung gezahlt werden müssen (OLG Bamberg, Urt. v. 11.5.2009 – 4 U 92/08, ZIP 2009, 1209).

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Klägerin über den anfänglichen negativen Marktwert aufzuklären.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der jeweilige Marktwert lediglich eine stichtagsbezogene „Momentaufnahme“ darstellt (OLG Bamberg ZIP 2009, 1209). Wie sich der Marktwert letztlich entwickeln würde, konnte die Beklagte nicht voraussehen, ebenso wie die Entwicklung des Spreads. Die Beklagte konnte eventuell vorhersehen, dass der Marktwert zum Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts negativ war. Allerdings ist hierbei auch zu beachten, dass zwischen den Parteien eine Laufzeit von fünf Jahren vereinbart wurde. Es ist vorauszusetzen, dass derjenige, der ein Geschäft über eine längere Laufzeit abschließt, auch ein Interesse daran hat, an diesem Geschäft festzuhalten, und das Vertragsverhältnis nicht sofort wieder beenden möchte. Der Marktwert stellt den Betrag dar, den die Klägerin hätte zahlen müssen, um sich vorzeitig von dem Geschäft zu lösen. Die Parteien haben vereinbart, dass die Beklagte das Vertragsverhältnis zu jedem der sechsmonatigen Zahlungstermine vorzeitig ohne Ausgleichszahlung beenden kann. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Termsheet. Zu Gunsten der Klägerin wurde ein solches Recht nicht vereinbart. Die Beklagte musste nicht darauf hinweisen, dass bei einer vorzeitigen Lösung der Klägerin von dem Vertragsverhältnis eine bestimmte „Ablösesumme“ zu zahlen ist.

Es ist allgemein üblich, dass derjenige, der ein gerade abgeschlossenes Geschäft wieder rückgängig machen möchte, sich aus diesem Vertragsverhältnis wieder „herauskaufen“ muss (LG Krefeld, Urt. v. 11.9.2008 – 3 O 48/08). Dies ist vergleichbar mit einer Vorfälligkeitsentschädigung oder dem Nichterfüllungsschaden. Im Übrigen hat der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen der persönlichen Anhörung durch das LG erklärt, dass er „vielleicht noch einen geringeren Betrag von 80.000 € hätte zahlen müssen, um eine Vertragsbeendigung zu erzielen“. Er gab ferner an, dass er sich über die hiervon abweichende Höhe von 435.000 € wunderte, denn dies entsprach nicht den Beträgen, die er vorher für eine Vertragsbeendigung zahlen musste. Damit wird deutlich, dass es dem Geschäftsführer der Klägerin durchaus bewusst war, dass er sich nur durch Zahlung eines Ausgleichsbetrages vorzeitig von dem Vertrag lösen konnte. Hinsichtlich der Höhe dieses Betrages ist zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Swap-Vertrag mit einem weitaus höheren Bezugsbetrag abgeschlossen wurde als die vorausgegangenen Swaps.

Es liegt auch keine Aufklärungspflichtverletzung darin begründet, dass der streitgegenständliche Swap zur Zinsoptimierung ZIP Heft 36/2009, Seite 1711angeboten wurde. Der Begriff „Zinsoptimierung“ ist sprachlich eher missglückt, denn diesem Vorhaben unterfällt grundsätzlich jedes Konzept, das auf eine ernsthafte und nachhaltige Verringerung bestehender Zinslasten durch Erträge aus gezielt zu diesem Zweck eingesetzten Finanzinstrumenten angelegt ist (OLG Bamberg ZIP 2009, 1209).

Die Klägerin hätte bei einer für sie günstigen Spread-Entwicklung ohne Einsatz von Eigenkapital einen Gewinn i.H. v. 1 %, zumindest im ersten Geschäftsjahr, erzielen können, denn die Beklagte hatte erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Starttag die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis bei einem für sie ungünstigen Spread-Verlauf zu beenden. Die erzielten Gewinne hätte die Klägerin zur Reduzierung der Zinslasten einsetzen können. Es ist auch unerheblich, dass, wie von der Klägerin vorgetragen, dem Swap-Geschäft keine Kreditverhältnisse gegenüberstanden. Aus dem vorgelegten Termsheet ergibt sich, dass der Zinsswap auch unabhängig von dem Bestehen eines Grundgeschäfts besteht. Es wird auch darauf hingewiesen, dass bei einem Wegfall des Grundgeschäfts der Swap nicht erlischt und sich der Risikocharakter des Zinsswaps verändert. In diesem Fall entsteht eine offene Zinsposition, die mit einem Verlustrisiko verbunden ist.

Auf die Chancen und Risiken wurde hinreichend hingewiesen. Zwar sind die Risiken auf der Seite der Klägerin höher als bei der Beklagten. Hierbei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine Gewinnchance ohne eigenen Kapitaleinsatz hatte. Dass das Geschäft rein spekulativ war, lag auf der Hand, denn niemand kann die Entwicklung der Referenzzinssätze vorhersagen. Die fehlende Möglichkeit einer zuverlässigen Prognose ist auch klar erkennbar. Aus den behaupteten Angaben der Mitarbeiter dahin gehend, eine für die Klägerin ungünstige Geschäftsentwicklung und das Absinken des Spreads auf unter 0,9 % seien unwahrscheinlich bzw. eine unter 0,7 % liegende Zinsdifferenz sei die Ausnahme, ein Spread über 0,7 % sei die Regel und der CMS10 habe regelmäßig über dem CMS2 gelegen, lässt sich erkennen, dass die Mitarbeiter der Beklagten gerade keine Zusagen gemacht haben. Vielmehr handelte es sich hierbei lediglich um Prognosen unter Bezugnahme auf die Entwicklungen des Spreads in den Vorjahren.

Der Senat vermag auch keine Pflichtverletzung oder Täuschung darin erkennen, dass die Klägerin nicht über den Spread-Verlauf in den Jahren vor 1995 aufgeklärt hat. Die Beklagte hat die historische Spread-Entwickung für den Zeitraum von 1995 bis 2005 in der Präsentation dargestellt. Selbst wenn der Spread-Verlauf für die Jahre vor 1995 dargestellt worden wäre und die Klägerin hieraus hätte ersehen können, dass der Spread über vier Jahre hinweg unter 0,9 % gelegen hat, kommt dem nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft zu. Historische Marktdaten lassen gerade auch im Bereich der Zinsen grundsätzlich keine verlässliche Prognose über das zukünftige Marktgeschehen zu, weil die Entwicklung der Kapitalmärkte in jeder volkswirtschaftlichen Epoche von ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten geprägt wird (OLG Bamberg ZIP 2009, 1209). Gesicherte Rückschlüsse von historischen Daten auf die zukünftige Entwicklung des Spreads wären nicht möglich gewesen.

Aus den vorgelegten Unterlagen (Präsentation und Termsheet) ergeben sich die aufgezeigten Risiken und Chancen eindeutig, ferner wurde auf das einseitige Kündigungsrecht der Beklagten hingewiesen. In dem Termsheet wird dargestellt, dass die Klägerin dann einen Gewinn erzielen kann, solange der Zinsunterschied zwischen dem EUR CMS10 und dem EUR CMS2 an weniger als zwölf Banktagen einer Periode (unter Annahme von 120 Banktagen) unterhalb der bei Abschluss vereinbarten Schwellen liegt. Je höher die Anzahl der Tage in einer Periode, an denen diese Differenz unter den vereinbarten Schwellen liegt, desto höher wird der Zinssatz, den die Klägerin an die Beklagte zu zahlen hat, maximal jedoch 7 %. Liegt die Differenz an mehr als zwölf Banktagen pro Periode unter der vereinbarten Schwelle, zahlt die Klägerin an die Beklagte einen höheren Zinssatz, als sie erhält, d.h., sie macht Verlust. Dies wird anhand der Rechenbeispiele des Termsheets nochmals verdeutlicht.

Das „Worst-Case-Szenario“ wurde in den vorgelegten Unterlagen hinreichend nachvollziehbar dargestellt. Im Termsheet wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin an die Beklagte für die jeweilige Periode 7 % zahlen muss, wenn die Differenz zwischen dem EUR CMS10 und dem EUR CMS2 an mindestens der Hälfte der Arbeitstage der Periode unterhalb der vereinbarten Schwelle liegt. Selbst wenn diesbezüglich im Verlauf des Beratungsgesprächs keine konkrete Berechnung durchgeführt wurde, so konnte die Klägerin den „Worst Case“ ohne Weiteres selbst berechnen. Die Klägerin hat in diesem Fall 7 % an die Beklagte zu zahlen; da die Beklagte grundsätzlich 3 % zu zahlen hat, beträgt die Differenz zu Lasten der Klägerin 4 %. Bei einem Bezugsbetrag i.H. v. 4. Mio. € hätte die Klägerin demzufolge 80.000 € halbjährlich (Periode) und für die gesamte Laufzeit von fünf Jahren 800.000 € zu zahlen.

Die Klägerin kann auch nicht damit durchdringen, die Beklagte habe negative Meldungen zu den Aussichten des Zinsswaps verschwiegen. Soweit die Klägerin auf das zur Klageschrift eingereichte Gutachten des Sachverständigen S. verwiesen hat, wonach „die Forwards implizierten, dass die Differenz zwischen langfristigen Zinsen und kurz/mittelfristigen Zinsen eher abnehmen würde, und dies geradezu ein Alarmsignal dargestellt habe“, reicht es nicht aus, lediglich auf das Gutachten zu verweisen. Wie sich diese Divergenzen darstellen, wird nicht dargelegt, ebenso wenig, dass diese eine verlässliche Auskunft über die Marktentwicklung geben können.

Auch ein fehlender Hinweis auf negative Meldungen in der Fachpresse kann für die Begründung einer Pflichtverletzung der Beklagten nicht herangezogen werden. Die Klägerin legt nicht dar, welchen Inhalt diese negativen Meldungen gehabt haben und wo diese zum Beratungszeitpunkt erschienen sind. Es wurden lediglich zum Schriftsatz vom 2.5.2007 ein Artikel des A-Magazins vom 18.3.2007 und ein Protokoll der B-Sendung vom 22.3.2007 vorgelegt. Diese Meldungen erschienen jedoch nach dem Beratungsgespräch am 7.4.2005.

Die Klägerin kann im Übrigen nicht einwenden, die Aufklärung habe in Schriftform erfolgen müssen. Gemäß § 37d WpHG ist der Verbraucher schriftlich zu informieren. Die Klägerin ist eindeutig keine Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB.

ZIP Heft 36/2009, Seite 1712

Ferner kann die Klägerin nicht erfolgreich den Spiel-, Wett- und Differenzeinwand gem. § 762 BGB erheben, denn nach § 37e WpHG kann der Einwand des § 762 BGB nicht erhoben werden, wenn mindestens ein Vertragsteil, hier die Beklagte, ein Unternehmen ist, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte abschließt.

Ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB wegen einer Täuschung über den negativen Marktwert und über die Interessenkollision sowie wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ist nicht gegeben, denn, wie bereits ausgeführt, war die Beklagte nicht verpflichtet, über den negativen Marktwert und über die Interessen der Beklagten an dem Geschäft aufzuklären. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ist nicht ersichtlich.

Die Widerklage ist zulässig. Die Widerklage wurde erst im Berufungsverfahren erhoben, ihre Zulässigkeit richtet sich nach § 533 ZPO. Die Klägerin hat zwar nicht eingewilligt. Die Widerklage ist jedoch auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht ohnehin seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 539 ZPO zugrunde zu legen hat. Im Übrigen ist die Zulassung der Widerklage auch sachdienlich, da sie geeignet ist, den Streit zwischen den Parteien endgültig und alsbald auszuräumen.

Die Widerklage ist auch ganz überwiegend begründet. Der Zahlungsanspruch der Beklagten ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Swap-Vertrag.

Die Beklagte hat die Anspruchshöhe durch die vorgelegten Fixingbestätigungen und durch die Aufstellungen der Swapsätze für den streitgegenständlichen Zeitraum nachvollziehbar dargelegt. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Zahlungsverpflichtung gemäß den vertraglichen Vereinbarungen ist die Klägerin verpflichtet 79.555,55 € zu zahlen. Dem ist die Klägerin nicht ausreichend substanziiert entgegengetreten. Es reicht nicht aus, die Spreads für die Perioden 2007, 2008 und 2009 lediglich mit Nichtwissen zu bestreiten, denn es ist der Klägerin zuzumuten, die zum Schriftsatz vom 25.5.2009 dargelegten Swapsätze zu überprüfen. Der Klägerin standen diesbezüglich auch Informationsquellen zur Verfügung. Die Swapsätze sind täglich in der X. Zeitung veröffentlicht. Bezüglich der historischen Swapsätze hätte die Klägerin im Archiv der X. nachforschen können. Im Übrigen ist es möglich, im Internet die Swapsätze für die vergangenen Wochen, Monate und Jahre abzurufen. Hierbei handelt es sich um allgemein bekannte Tatsachen. Man muss hierzu lediglich, z.B. bei Google, den Suchbegriff „Historische Swapsätze“ eingeben. Es werden dann verschiedene Internetseiten angezeigt. Auf dieser Internetseite kann der Zeitraum, für den die Swapsätze angegeben werden sollen, sowie bei Zins 1 z.B. der 2-Jahres-EUR-Swapsatz und bei Zins 2 z.B. der 10-Jahres-EUR-Swapsatz ausgewählt werden. Klickt man dann auf „Anzeigen“ werden die entsprechenden Kurven der Swapsätze für den gewünschten Zeitraum dargestellt, diese können dann abgelesen werden. Bei einem Vergleich dieser angezeigten Werte mit den aufgelisteten Swapsätzen konnte keine Diskrepanz festgestellt werden.

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Anmerkung der Redaktion:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist anhängig beim BGH unter dem Az. XI ZR 256/09.

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