OLG München: Anfechtbarkeit der Schaffung eines genehmigten Kapitals wegen Nichtbeantwortung von Fragen zu früherer Kapitalerhöhung

07.09.2009

AktG §§ 131, 120, 171 Abs. 2, § 243 Abs. 3; HGB § 318 Abs. 3

Anfechtbarkeit der Schaffung eines genehmigten Kapitals wegen Nichtbeantwortung von Fragen zu früherer Kapitalerhöhung

OLG München, Urt. v. 24. 9. 2008 – 7 U 4230/07

Leitsätze des Gerichts:

1. Hat die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft über die Schaffung eines genehmigten Kapitals zu entscheiden, können auch Fragen zur Abwicklung kurze Zeit vorher durchgeführter Kapitalerhöhungen gem. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sein.

2. Der Beschluss über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats nach § 120 AktG ist noch nicht deshalb anfechtbar, weil der Aufsichtsrat in seinem Bericht nach § 171 Abs. 2 AktG nicht über Verträge informiert hat, die zwischen der Gesellschaft und einer Rechtsanwaltskanzlei, welcher ein Mitglied des Aufsichtsrats angehört, geschlossen wurden.

3. Einer auf die unzureichende Beantwortung von Fragen nach einer möglichen Befangenheit des Abschlussprüferkandidaten gestützten Anfechtung des Beschlusses über die Wahl des Abschlussprüfers steht § 243 Abs. 3 Nr. 2 AktG entgegen, der einen strikten Vorrang des Verfahrens nach § 318 Abs. 3 HGB bestimmt.

Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung der Beklagten, einer börsennotierten AG, vom 28.8.2006. Das LG München I hatte mit Urteil vom 16.8.2007 – 5 HK O 17682/06 (dazu EWiR 2008, 33 (Jungmann)) mehrere Beschlüsse für nichtig erklärt, die Klagen aber im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Kläger und die Beklagte Berufung eingelegt.

Gründe:

B. Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Beklagten, die Anfechtungsklagen seien rechtsmissbräuchlich. Insoweit kann auf die Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden, welche die Beklagte nicht zu erschüttern vermochte. Hinreichende Tatsachen, die die Feststellung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Anfechtungskläger zuließen, wurden von der Beklagten nicht vorgetragen. Dass die Kläger wiederholt sämtliche Beschlüsse der Hauptversammlungen der Beklagten angefochten haben, genügt für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht, zumal diese Anfechtungsklagen – worauf die Kläger zu Recht hinweisen – zu einem großen Teil Erfolg hatten. Auch die Tatsache, dass die Kläger nur relativ wenige Aktien der Beklagten halten, rechtfertigt es nicht, ihr Handeln als rechtsmissbräuchlich anzusehen; denn dies liefe im Endeffekt darauf hinaus, entgegen § 245 Nr. 1 AktG, wonach grundsätzlich jeder (Hervorhebung des Gerichts) in der Hauptversammlung erschienene Aktionär anfechtungsbefugt ist, das Anfechtungsrecht von Kleinaktionären einzuschränken. Das Vorbringen der Beklagten, es handele sich um einen „Rachefeldzug“ des Geschäftsführers der Klägerin zu 1), stellt eine subjektive Interpretation des Verhaltens der Kläger dar, die nicht ausreichend durch Tatsachen untermauert ist. Das Vorbringen der Beklagten in erster Instanz, die Anfechtungsklagen seien letztlich auf eine Verärgerung der Kläger wegen Maßnahmen des Vorstands der Beklagten im Zusammenhang mit früheren Kapitalerhöhungen zurückzuführen, begründet – selbst wenn man dieses als wahr unterstellt – keine Rechtsmissbräuchlichkeit der Anfechtungsklagen; denn es ließe nicht die Feststellung zu, dass mit den Anfechtungsklagen nunmehr unlautere Ziele oder Absichten verfolgt würden. Dies ergibt sich auch nicht hinreichend aus dem Vorbringen der Beklagten, am 27.9.2005 habe zwischen ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten und dem Kläger zu 2) ein Gespräch stattgefunden, worin der Kläger zu 2) erklärt habe, mit einer vergleichsweisen Erledigung der Rechtsstreitigkeiten einverstanden zu sein, wenn ihm bezüglich der Kapitalerhöhung Einsicht in die Unterlagen der Emissionsbank gewährt werde. Die Beklagte zieht hieraus und aus dem vergeblichen Versuch des Klägers zu 2), dieses Auskunftsverlangen gerichtlich durchzusetzen, den Schluss, dass durch die Anfechtungsklagen die Erteilung von Informationen „erpresst“ werden sollte, auf die die Klagepartei keinen Anspruch habe. Diese Schlussfolgerung erscheint indes keineswegs zwingend, zumal die im Gespräch vom 27.9.2005 in Aussicht gestellte vergleichsweise Einigung sich nicht unmittelbar auf die streitgegenständliche Anfechtung der erst später gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse vom 28.8.2006 beziehen konnte. Nach alldem bestehen zwar ZIP Heft 35/2009, Seite 1668durchaus Indizien dafür, dass die Kläger von ihrer Anfechtungsbefugnis nicht allein zur Ausübung ihrer Kontrollrechte als Aktionäre Gebrauch machen, es ist aber nicht feststellbar, dass die Anfechtungsklagen als illoyale und grob eigennützige Rechtsausübung die Grenze zum Rechtsmissbrauch überschreiten.

2. Erfolglos bleibt die Berufung der Beklagten auch, soweit sie sich dagegen richtet, dass das LG den Beschluss zu TOP 2 (Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2005) für nichtig erklärt hat. Mit Recht hat das LG insoweit das Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 Abs. 1 AktG als verletzt angesehen.

Zutreffend hat das Erstgericht ausgeführt, dass die Frage nach dem Zeitpunkt von Zahlungen an die Rechtsanwaltskanzlei, welcher der Vorsitzende des Aufsichtsrats angehört, nicht hinreichend beantwortet wurde und der Zeitpunkt dieser Zahlungen im Hinblick auf die Regelungen der §§ 113, 114 AktG für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns von Bedeutung war. Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Zeitpunkt dieser Zahlungen auch nicht deshalb unerheblich, weil zu allen Mandaten der Rechtsanwaltskanzlei vom Aufsichtsrat die Zustimmung erteilt worden sei. Vom Standpunkt eines objektiv denkenden Aktionärs war die Angabe der Zahlungsdaten „erforderlich“ i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG, um beurteilen zu können, ob zu diesen Zeitpunkten jeweils bereits ein Zustimmungsbeschluss nach § 114 AktG existierte. Die Relevanz dieses Auskunftsbegehrens entfiel auch nicht aufgrund der Mitteilung, sämtliche Mandate seien vom Aufsichtsrat vorsorglich nachträglich genehmigt worden, zumal aus Sicht eines Aktionärs nicht geklärt war, ob diese nachträgliche Genehmigung den gesetzlichen Anforderungen genügte.

Nicht ausreichend beantwortet wurden ferner die in der Hauptversammlung gestellten Fragen des Klägers zu 2), wann der Vorstand der Beklagten den Entwurf einer Analyse der P. GmbH zur Kenntnis bekommen habe bzw. wann er die Information bekommen habe, dass der Entwurf eingegangen sei. Diese Fragen standen im Zusammenhang damit, dass der Vorstand der Beklagten am 23. und 24.8.2006, also in etwa zeitgleich mit dem von ihm genannten Datum (24.8.2006) des Eingangs des Analyseentwurfs im Unternehmensbereich Investor Relations, außerbörslich eigene Aktien der Beklagten erworben hat. Die Fragen dienten daher ersichtlich zur Beurteilung eines etwaigen strafbaren Insidergeschäfts gem. § 38 Abs. 1 Nr. 14, § 13 WpHG. Zutreffend hat das LG hierzu ausgeführt, dass im Einzelfall auch die Bewertung von Wirtschaftsjournalisten als Insiderinformation eingestuft werden kann und es für die Frage der Entlastung des Vorstands einer AG aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs von Bedeutung ist, ob Tatsachen vorliegen, die einen Verdacht auf eine strafbare Handlung begründen können. Dass die Analyse der P., welche die Empfehlung „Kaufen (Erstempfehlung)“ enthält, als Insiderinformation zu beurteilen ist, erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, womit es den Fragen des Klägers zu 2) auch nicht aus diesem Grund an Relevanz mangelte. Die Fragen, die auf den Zeitpunkt der Kenntnis gerade des Vorstands abzielten, wurden in diesem Kern nicht beantwortet. Der Vorstand konnte sich nicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG berufen, weil er sich nicht durch die Erteilung der Auskünfte strafbar gemacht hätte. Etwaige Vorgänge in der Vergangenheit, aufgrund derer sich der Vorstand bereits strafbar gemacht hat, sind vom Auskunftsverweigerungsrecht nicht erfasst (s. z.B. Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 131 Rz. 72 m.w.N.). Das Unterlassen der Beantwortung dieser Fragen, die aus der Sicht eines objektiv wertenden Aktionärs zur sachgerechten Beurteilung einer Entlastung des Vorstands i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG erforderlich waren, führt zur Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses (vgl. z.B. BGH ZIP 2004, 2428 = NZG 2005, 77, 78 – ThyssenKrupp, dazu EWiR 2005, 241 (F. Wagner)). Insofern teilt der Senat mit der herrschenden Meinung (vgl. RGZ 167, 161, 166; BGH NJW 1960, 1150, 1152, jew. zu § 112 AktG 1937; OLG Düsseldorf AG 1968, 23, 24; Zöllner, in: Kölner Komm. z. AktG, § 131 Rz. 25; a.A. MünchKomm-Kubis, AktG, § 131 Rz. 53) die Auffassung des LG, dass eine Anfechtung des Entlastungsbeschlusses nicht deshalb ausscheidet, weil sich die Entlastung auf das Geschäftsjahr 2005 bezog, Gegenstand der Fragen hingegen Vorgänge aus dem August 2006 waren. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des LG wird Bezug genommen.

Da bereits aus diesen Gründen der Entlastungsbeschluss für nichtig zu erklären war, kann dahinstehen, ob noch weitere Fragen des Klägers zu 2) unzureichend beantwortet wurden.

3. Unbegründet ist die Berufung der Beklagten ferner, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Erstgerichts zu dem Beschluss über die Schaffung eines genehmigten Kapitals II (TOP 5) wendet. Auch dieser Beschluss war wegen der Verletzung der Auskunftsrechte der Aktionäre für nichtig zu erklären. Auf die zutreffenden Ausführungen des LG unter B II 4 a der Gründe des angefochtenen Urteils kann in vollem Umfang Bezug genommen werden. Die von der Beklagten hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Dem Kläger zu 2) waren die in der streitgegenständlichen Hauptversammlung gestellten und dort nicht beantworteten Fragen zur Kapitalerhöhung im Jahr 2004 nicht deshalb verwehrt, weil die Aktionäre schon in früheren Hauptversammlungen Gelegenheit hatten, zu dieser Kapitalmaßnahme Fragen zu stellen, und die Kläger von dieser Gelegenheit auch Gebrauch gemacht und teils Auskunftserzwingungsverfahren angestrengt hatten. Abgesehen davon, dass die in früheren Hauptversammlungen gestellten und auch zum Gegenstand einer Auskunftsklage nach § 132 AktG gemachten Fragen mit den vorliegenden Fragen allenfalls teilweise identisch waren, schließt § 131 AktG Fragen zu Vorgängen, die bereits in früheren Hauptversammlungen und diesbezüglichen Auskunftsverfahren behandelt wurden, grundsätzlich nicht aus (vgl. MünchKomm-Kubis, a.a.O., § 131 Rz. 42). Dies folgt mittelbar auch daraus, dass das Auskunftsrechts des Aktionärs nicht nur dem Interesse des Fragestellers, sondern – wie z.B. § 132 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 AktG zeigt – der Information aller in der Hauptversammlung anwesenden Aktionäre über den Beschlussgegenstand dient. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass allen anwesenden Aktionären die Behandlung der Kapitalerhöhung 2004 in früheren Hauptversammlungen bekannt war. Die entscheidende Frage ist daher nicht, inwieweit ähnliche oder identi-ZIP Heft 35/2009, Seite 1669sche Fragen bereits früher behandelt und beantwortet wurden, maßgeblich ist vielmehr, ob die zur Kapitalerhöhung 2004 gestellten Fragen überhaupt noch einen ausreichenden Bezug zum streitgegenständlichen Beschlussgegenstand, also zur vorgesehenen Schaffung weiteren genehmigten Kapitals aufwiesen. Dies ist aus den vom LG genannten Gründen zu bejahen. Wie vom LG ausgeführt wurde, setzt die Schaffung genehmigten Kapitals ein Vertrauen in den Vorstand voraus, für das es relevant sein kann, wie der Vorstand vorangegangene Kapitalerhöhungen abgewickelt hat. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene Ermächtigung des Vorstands, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht der Aktionäre ganz oder teilweise auszuschließen sowie den weiteren Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe festzulegen. Als zur sachgemäßen Beurteilung erforderlich i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG sind jedenfalls Auskünfte hinsichtlich solcher Kapitalerhöhungen anzusehen, die – wie vorliegend die Kapitalerhöhung von 2004 – in relativ nahem zeitlichen Zusammenhang zur streitgegenständlichen Hauptversammlung erfolgt waren. Die Fragen hätten in der Hauptversammlung auch ohne Weiteres in recht knapper Form beantwortet werden können. Mit Recht stellte das LG hierzu fest, dass die nachgefragten Tatsachen zur Kapitalerhöhung 2004 bei einer funktionierenden Verwaltung ggf. während einer Unterbrechung der Hauptversammlung zu klären sein mussten, zumal der Umfang der Kapitalerhöhung Auswirkungen auf das Grundkapital der Gesellschaft hat. Die Abwicklung einer ca. zwei Jahre zuvor beschlossenen Kapitalerhöhung ist für die Beklagte von so zentraler Bedeutung, dass es dem Vorstand möglich sein musste, die diesbezüglichen Daten auch ohne vorherige Kenntnis von den Fragen in kurzer Zeit zu ermitteln und darzulegen.

Aus den genannten Gründen dringt die Anfechtung dieses Beschlusses durch. Es kann daher dahinstehen, ob – wie das LG meint – zudem eine Frage unzutreffend beantwortet worden sei. Ebenso bedarf es nicht der Entscheidung, ob der Beschluss des LG München I vom 22.2.2007 (5 HK O 16598/06), mit dem einer vom Kläger zu 2) wegen der unterlassenen Beantwortung der Fragen in der Hauptversammlung vom 28.8.2006 erhobenen Auskunftsklage stattgegeben wurde, für das vorliegende Verfahren eine Bindungswirkung entfaltet.

4. Begründet ist die Berufung der Beklagten hingegen, soweit das LG den zu TOP 3 ergangenen Beschluss (Entlastung des Aufsichtsrats) für nichtig erklärt hat. Der Auffassung des LG, der Beschluss verstoße gegen das Gesetz, weil der Aufsichtsrat seine Berichtspflichten nach § 171 Abs. 2 AktG verletzt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Eine Verletzung der Berichtspflicht sieht das Erstgericht darin, dass der Aufsichtsrat nicht über die Mandatierung einer Rechtsanwaltskanzlei berichtet hat, der ein Aufsichtsratsmitglied angehört. Nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 1, 2 AktG hat der Aufsichtsrat namentlich über die Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns zu berichten. In dem Bericht hat er ferner mitzuteilen, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft während des Geschäftsjahres geprüft hat; bei börsennotierten Gesellschaften hat er insbesondere anzugeben, welche Ausschüsse gebildet worden sind, sowie die Zahl seiner Sitzungen und die der Ausschüsse mitzuteilen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung bezieht sich der geforderte Bericht mithin auf bestimmte Prüfungsaufgaben sowie die Überwachung des Vorstands nach § 111 Abs. 1 AktG. Zwar wird vom Aufsichtsrat in gewissem Umfang auch ein Rechenschaftsbericht über die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben verlangt, insbesondere erfordert das Gesetz bei börsennotierten Gesellschaften Angaben zu den gebildeten Ausschüssen und zur Zahl der Sitzungen. Den Bestimmungen des § 171 AktG ist aber nicht zu entnehmen, dass über alle Umstände berichtet werden müsste, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Aufsichtsrats und/oder für eine Billigung seines Handelns relevant sein könnten. Daher statuiert § 171 Abs. 2 AktG nicht die Pflicht zur Offenlegung etwaiger Interessenkonflikte, unbeschadet dessen, dass eine solche Offenlegung sachgerecht und empfehlenswert sein wird.

Die Pflicht, über solche Umstände zu berichten, könnte sich daher nur aus § 161 AktG i.V.m. den Regelungen des Corporate Governance Kodex ergeben. So regelt Nr. 5.5.3 des Kodex, dass der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren soll. Interessenkonflikte eines Aufsichtsrats sind nach Nr. 5.5.2 des Kodex insbesondere solche, die aufgrund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können. Um einen solchen Fall geht es vorliegend nicht. Daneben regelt Nr. 5.5.4 des Kodex, dass Berater- und sonstige Dienstleistungs- und Werkverträge eines Aufsichtsratsmitglieds mit der Gesellschaft der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Die systematische Stellung dieser Regelung spricht dagegen, dass auch über solche Verträge im Bericht des Aufsichtsrats informiert werden muss. Denn die Regelung über die Berichtspflicht in Nr. 5.5.3 bezieht sich gesetzessystematisch auf die vorhergehende Regelung in Nr. 5.5.2, wofür auch das in beiden Absätzen verwendete Wort „Interessenkonflikte“ spricht. Dagegen ist nicht ersichtlich, dass sich die Regelung über den Bericht des Aufsichtsrats in Nr. 5.5.3 auch auf die in der nachfolgenden Nr. 5.5.4 erwähnten Verträge erstrecken soll. Hinzu kommt, dass nach Nr. 5.5.3 des Kodex nicht bereits über jeden Vertrag berichtet werden muss, der einen Interessenkonflikt begründen könnte; berichtspflichtig sind vielmehr „aufgetretene Interessenkonflikte“. Gelangt der Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass ein Interessenkonflikt tatsächlich nicht vorliegt, so muss er hierüber auch nicht berichten (so Lutter, AG 2008, 1, 9).

Letztlich kann aber dahinstehen, ob nach den Regelungen des Kodex über die Mandatierung der Rechtsanwaltskanzlei hätte berichtet werden müssen. Im Hinblick auf die diesbezüglich zumindest unklare Rechtslage stellte das Unterlassen einer entsprechenden Mitteilung im Bericht jedenfalls keine schwer wiegende Verletzung des § 161 AktG dar. Ein Entlastungsbeschluss, durch den das Handeln der Verwaltung als im Großen und Ganzen gesetz- und satzungsmäßig gebilligt wird, ist jedoch nach zutreffender Auffassung nur bei einer gravierenden Verletzung des Gesetzes oder der Satzung anfechtbar (vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 120 Rz. 12 m.w.N.).

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5. Erfolg hat ferner die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des LG, den Beschluss zu TOP 4 über den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags für nichtig zu erklären. Entgegen der Auffassung des LG war dieser Beschluss nicht wegen einer Verletzung der Berichtspflicht nach § 293a Abs. 1 AktG gesetzeswidrig. Nach § 293a Abs. 1 AktG ist ein ausführlicher schriftlicher Bericht geboten, in dem der Abschluss des Unternehmensvertrags, der Vertrag im Einzelnen und insbesondere Art und Höhe des Ausgleichs nach § 304 AktG und der Abfindung nach § 305 AktG rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden. Diese Berichtspflicht wurde vorliegend nicht deshalb verletzt, weil nicht dargelegt wurde, dass vormals ein Unternehmensvertrag mit einer anderen Gesellschaft bestand, der den Zugriff auf die betreffenden Gewinn ermöglicht hatte, dieser Vertrag aber beendet worden war. Denn diese Umstände waren für die Frage, ob nunmehr der zur Zustimmung vorgelegte Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen werden soll, weder wirtschaftlich noch rechtlich von maßgebender Bedeutung. Dass – wie das Erstgericht ausführt – ohne den vorgesehenen Abschluss des Unternehmensvertrags das Risiko besteht, nicht auf die Gewinne des beherrschten Unternehmens zugreifen zu können, ist keine Besonderheit der vorliegenden Fallkonstellation; dieses Risiko ist vielmehr stets gegeben, wenn es nicht zu dem vorgeschlagenen Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags kommt. Wäre erst beabsichtigt gewesen, den mit einer anderen Gesellschaft geschlossenen Unternehmensvertrag zu beenden und durch den vorgeschlagenen Unternehmensvertrag zu ersetzen, hätte unter Umständen zur wirtschaftlichen Erläuterung der Vorgehensweise dargelegt werden müssen, weswegen der bestehende Unternehmensvertrag durch einen anderen ersetzt wird. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Beklagten bestand aber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der frühere Unternehmensvertrag schon nicht mehr. In dieser Situation kam es daher nicht mehr auf die Beendigung des früheren Unternehmensvertrags an, sondern nur noch darauf, ob nunmehr ein neuer Vertrag geschlossen wird oder nicht. Die Anforderungen des § 293a AktG wurden daher nicht missachtet.

C. Die Berufung der Kläger ist unbegründet.

1. Ohne Erfolg machen die Kläger hinsichtlich aller angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse geltend, dass sämtliche aus den Kapitalerhöhungen vom April und Juni 2004 sowie März 2005 stammenden Inhaberstückaktien wegen § 134 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht stimmberechtigt gewesen seien, weil die Einlage darauf nicht oder jedenfalls nicht vollständig geleistet worden sei.

Die vor allem im juristischen Schrifttum diskutierte Frage, ob die Einlage wirksam auch in der Weise erbracht werden kann, dass sie auf einem bei der Inferentin als Kreditinstitut geführten Konto gutgeschrieben wird, bedarf hier nicht der Entscheidung; denn selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass eine solche Gutschrift keine Tilgungswirkung besitzt, weil die Einlage nicht endgültig aus dem Vermögen des Gründers ausgesondert wird, ist jedenfalls dann von einer Erfüllung der Einlageverpflichtung auszugehen, wenn die AG z.B. durch Abhebungen und Überweisungen über das Guthaben verfügt hat. Spätestens dann ist der Gründer bzw. Zeichner von jeder Einwirkungsmöglichkeit auf den gutgeschriebenen Betrag ausgeschlossen. Vorliegend hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass die Einlage lange vor der streitgegenständlichen Hauptversammlung vollständig auf andere Gesellschaftskonten überwiesen bzw. für eigene Zahlungsverpflichtungen verwendet worden sei; das Konto bei der Inferentin sei bereits seit langem aufgelöst. Zumindest aus diesen Gründen ist die Einlage als erbracht anzusehen.

Auch die von den Klägern gerügte Zahlung von Provisionen an die Inferentin führt nicht zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse. Dabei kann offenbleiben, ob eine Auszahlung der Provision aus anderen Mitteln als der geleisteten Einlage als einlageschädliches „Hin- und Herzahlen“ anzusehen ist. Selbst wenn die Provisionszahlungen dazu führten, dass die Einlageleistungen für die im Nennwert von einem Euro pro Aktie zu erwerbenden Aktien in Höhe der Provisionen nicht erbracht wurden, begann nach § 134 Abs. 1 Satz 1 AktG das Stimmrecht zumindest für die Aktien, für die die Einlage vollständig geleistet wurde (vgl. Hüffer, a.a.O., § 134 Rz. 17). Bei einer Teilleistung entstand mithin das Stimmrecht nur für diejenigen Aktien nicht, für die der gezahlte Betrag als vollständige Einlageleistung nicht mehr ausreichte. Bei keinem der zu den angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüssen erzielten Abstimmungsergebnissen fiele indes der Wegfall einer der Höhe der Provisionen entsprechenden Zahl von Stimmen ins Gewicht. Nach dem Vorbringen der Kläger waren im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung im April 2004 eine Provision i.H. v. 20.000 €, bei der Kapitalerhöhung im März 2005 Provisionen von insgesamt 40.000 € gezahlt worden. Hieraus ergäbe sich mithin nur das Fehlen der Stimmrechte von 60.000 Aktien, was an den gefassten Beschlüssen nichts ändern würde. Hinsichtlich der Kapitalerhöhung vom Juni 2004 ist nicht ersichtlich, dass die Einlageverpflichtung der V. Aktienbank nicht erfüllt wurde. Dem Vorbringen der Parteien zufolge hatte die V. Aktienbank auf eine Einlageverpflichtung von 5.386.500 € in Teilleistungen insgesamt 6.398.326,30 € einbezahlt. Nach Abzug des zurückgezahlten Betrags von 203.851,30 € und der Provision von 350.000 € verbleibt ein geleisteter Betrag von 5.844.475,00 €, der die Einlageverpflichtung übersteigt. Bei dieser Kapitalerhöhung war die Provision mithin durch den bei der Ausgabe erzielten Mehrerlös von 15 Cent pro Aktie gedeckt. Im Übrigen würde auch die Nichtberücksichtigung von 350.000 Ja-Stimmen zu keiner Änderung der Beschlussergebnisse führen.

2. Die Entscheidung des Erstgerichts zum Beschluss über die Änderung der Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrats (TOP 6) lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Insoweit wurden von den Klägern – abgesehen von dem vorgenannten Einwand eines fehlenden Stimmrechts – auch keine Berufungsrügen erhoben. Die Berufung der Kläger gegen diese Entscheidung ist daher ebenfalls unbegründet.

3. Keinen Erfolg hat ferner die Berufung gegen die Abweisung der Anfechtungsklage hinsichtlich des Beschlusses über die Wahl des Abschlussprüfers (TOP 7). Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts wird Bezug genommen. Die Regelung des § 243 Abs. 3 Nr. 2 AktG bestimmt einen strikten Vorrang des Verfahrens nach § 318 Abs. 3 HGB gegenüber ZIP Heft 35/2009, Seite 1671der Anfechtungsklage. Eine damit u.U. verbundene „Verkürzung“ des Rechtsschutzes des Aktionärs hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Auch das Vorbringen der Kläger, ein Verfahren nach § 318 HGB könne in Fällen einer unzureichenden Beantwortung von Fragen nach einer möglichen Befangenheit des Abschlussprüferkandidaten in der Praxis nahezu nie abgeschlossen werden, bevor es sich auf andere Weise erledige, rechtfertigt es daher nicht, von der Regelung des § 243 Abs. 3 Nr. 2 AktG abzuweichen.

4. Auch die von den Klägern im Berufungsverfahren nur mit der aus den genannten Gründen nicht durchgreifenden Rüge des fehlenden Stimmrechts von Aktien angegriffene Abweisung der Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses zur Geschäftsordnung (Abwahl des Versammlungsleiters aus wichtigem Grund) ist nicht zu beanstanden.

5. Gleiches gilt, soweit sich die Kläger gegen die Abweisung ihres (Hilfs-)Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit der zu den TOP 6 und 7 sowie zum Geschäftsordnungsantrag ergangenen Beschlüsse wenden. Auch hierzu kann auf die Ausführungen des LG Bezug genommen werden.

6. Unbegründet ist schließlich die Berufung des Klägers zu 2) gegen die Abweisung seines Antrags auf Feststellung, dass in der Hauptversammlung zu TOP 4 kein Beschluss mit dem protokollierten Wortlaut („Der Vorsitzende stellte fest und gab bekannt, dass damit die vorgeschlagene Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der A. AG und der A. + M. GmbH beschlossen worden sei.“) gefasst worden sei. Dass der Vorsitzende den Beschluss nicht genau so verkündet hatte, wie er im Protokoll festgehalten ist, steht der Wirksamkeit der Beschlussfassung nicht entgegen. Bei der Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung nach § 130 Abs. 2 AktG braucht der Beschlussinhalt nicht verlesen zu werden; ausreichend ist auch die Bezugnahme auf den in der Tagesordnung enthaltenen bzw. zur Abstimmung gestellten Beschlussantrag (s. z.B. Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, a.a.O., § 130 Rz. 12 m.w.N.). Wenn aber schon eine bloße Bezugnahme ausreichend wäre, so ist es jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – keine Zweifel über den zur Abstimmung gestellten Beschlussinhalt bestehen, auch unschädlich, wenn der Vorsitzende den Beschlussinhalt bei der Feststellung sprachlich oder inhaltlich nicht exakt vorgetragen hat. Allein ein Versprecher, ein Lesefehler oder eine sonstige Ungenauigkeit bei der Feststellung begründeten vorliegend keine Unklarheiten über den Inhalt des gefassten Beschlusses.

Ebenso wenig ist der Feststellungsantrag aufgrund einer unrichtigen Protokollierung der Beschlussfassung begründet. Die Niederschrift muss nach § 130 Abs. 2 AktG die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung enthalten. Dies bedeutet, dass der tatsächlich festgestellte Beschluss protokolliert werden muss. Dagegen muss das Protokoll nicht etwa auch eine für die Beschlussfeststellung aus den genannten Gründen unschädliche sprachliche Ungenauigkeit des Vorsitzenden wortgetreu wiedergeben.

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Richter am OLG Hans Kornprobst, München</einsender><//einsender>

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