OLG München: Zur Glaubhaftmachung der Mindestbesitzzeit der Aktien für den Antrag auf Sonderprüfung wegen Unterbewertung

12.08.2009

AktG § 258

Zur Glaubhaftmachung der Mindestbesitzzeit der Aktien für den Antrag auf Sonderprüfung wegen Unterbewertung

OLG München, Beschl. v. 3. 2. 2009 – 31 Wx 98/08

Leitsatz des Gerichts:

Die für den Antrag eines Aktionärs auf Bestellung von Sonderprüfern wegen unzulässiger Unterbewertung erforderliche Glaubhaftmachung der Mindestbesitzzeit kann auch, aber nicht nur, durch eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar erfolgen.

Gründe:

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Bestellung von Sonderprüfern wegen unzulässiger Unterbewertung (§ 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG).

Der Antragsteller war bis 19.5.2003 alleiniger Vorstand der Gesellschaft. Das Grundkapital der Gesellschaft von 327.700 € ist in 327.700 nennbetragslose, auf den Namen lautende Stückaktien eingeteilt, die derzeit von fünf Aktionären gehalten werden. Die Aktien ZIP Heft 32/2009, Seite 1525sind nicht verbrieft; ihre Übertragung bedarf nach § 6 Abs. 4 der Satzung der schriftlichen Zustimmung der Gesellschaft.

Der Antragsteller war seit der Umwandlung in eine AG im Jahr 2000 mit 75.000 Aktien an der Gesellschaft beteiligt, seit dem 23.5.2006 mit insgesamt 81.666 Aktien. Mit Schreiben vom 23.5.2003 diente er die von ihm damals gehaltenen 75.000 Aktien den beiden zum Ankauf verpflichteten Mitaktionären an, wobei er den Kaufpreis mit rund 9,8 Mio. € bezifferte. Nach Erstellung eines Schiedsgutachtens, das zum maßgeblichen Stichtag 19.5.2003 zu einem Wert von 17,96 € je Aktie gelangt war, erhoben die ankaufsverpflichteten Mitaktionäre mit Schriftsatz vom 28.7.2006 Klage auf Übertragung der insgesamt 81.666 Aktien des Antragstellers Zug um Zug gegen Zahlung von insgesamt 1,466 Mio. € in drei Raten. Der Antragsteller verlangte widerklagend Zahlung von insgesamt 5,559 Mio. € gegen Übertragung von insgesamt 75.000 Aktien; die weiteren 6.666 Aktien aus einem Zukauf seien weder von der Putausübung noch vom Schiedsgutachten erfasst. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen; das LG hat Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 24.4.2009 bestimmt.

Bei der ordentlichen Hauptversammlung am 29.8.2007 wurde der vom Aufsichtsrat gebilligte Jahresabschluss vom 31.12.2006 zur Einsichtnahme durch Aktionäre ausgelegt. Er weist unter „sonstige Rückstellungen“ einen Betrag von 1.673.000,04 € aus; der Vorjahreswert betrug 549.910 €. Der Jahresüberschuss beträgt 562.800,23 €, die Bilanzsumme rund 4,297 Mio. €. Die Jahresabschlüsse der Gesellschaft werden nicht geprüft.

Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 28.9.2007 beantragte der Antragsteller unter Vorlage einer privatschriftlichen eidesstattlichen Versicherung die Bestellung eines Sonderprüfers zur Überprüfung der Position „sonstige Rückstellungen“. Nach Auskunft des Vorstands seien in dieser Position Drohverluste für künftig ausfallende Untermieten i.H. v. rund 1,2 Mio. € enthalten sowie interne Aufwendungen für Schiedsgutachterverfahren i.H. v. rund 150.000 €. Diese Ansätze seien nicht gerechtfertigt.

Das Amtsgericht bestellte mit Beschluss vom 8.2.2008 die R. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Sonderprüfer zur Überprüfung der „sonstigen Rückstellungen“ in der Bilanz der Gesellschaft zum 31.12.2006. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hob das LG diese Entscheidung auf mit der Begründung, die vorgelegte eidesstattliche Versicherung genüge nicht den Anforderungen des § 258 Abs. 2 Satz 5 AktG, wonach eine vor einem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung erforderlich sei. Der Antrag sei deshalb unzulässig. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der Entscheidung des LG und Zurückweisung der Erstbeschwerde.

1. Das LG hat rechtsfehlerhaft (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) angenommen, die Glaubhaftmachung der Mindestbesitzzeit könne nur durch Vorlage einer vor einem Notar abgegebenen eidesstattlichen Versicherung erfolgen.

a) Nach § 258 Abs. 2 Satz 4 AktG müssen Antragsteller glaubhaft machen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Damit soll vermieden werden, dass kurzfristig Aktien aufgekauft werden, um eine Sonderprüfung wegen Unterbewertung zu veranlassen (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 258 Rz. 17). Glaubhaftmachung ist eine Art der Beweisführung, durch die dem Gericht nicht die volle Überzeugung, sondern lediglich die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines zu beweisenden Sachverhalts vermittelt werden muss (Keidel/Schmidt, FGG, 15. Aufl., § 15 Rz. 69). Die Mittel der Glaubhaftmachung sind vom Gericht der Tatsacheninstanz zu würdigen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Tatsachenwürdigung nur darauf hin überprüfen, ob das Beschwerdegericht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, die Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner ob die Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu hoch oder zu niedrig angesetzt wurden (BayObLGZ 1992, 162, 165).

Solche Fehler liegen hier vor. Das LG ist rechtsirrig davon ausgegangen, dass der Antragsteller in jedem Fall eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar abgeben müsse, wonach er Inhaber der Aktien mindestens seit drei Monaten vor der Hauptversammlung sei. Es hat dabei weder beachtet, dass auch andere Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht kommen, noch berücksichtigt, dass die Gesellschaft, der die wenigen Inhaber der nicht verbrieften vinkulierten Namensaktien bekannt sind, die Tatsache des jahrelangen Aktienbesitzes des Antragstellers nicht in Zweifel gezogen, sondern zugestanden hat.

b) Nach § 258 Abs. 2 Satz 5 AktG „genügt“ zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar. Als weitere Mittel der Glaubhaftmachung kommen nach allgemeiner Meinung etwa Bankdepotauszüge oder eine eidesstattliche Versicherung gegenüber dem Gericht in Betracht (vgl. Hüffer, a.a.O., § 258 Rz. 17 a.E.; Claussen, in: Kölner Komm. z. AktG, Stand: 2008, § 258 Rz. 26 a.E. m.w.N.; Schmidt/Lutter/Kleindiek, AktG, § 258 Rz. 15; Heidel/Wilsing, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 258 AktG Rz. 14; Bürgers/Körber, AktG, § 258 Rz. 20). Bei Namensaktien kann die Gesellschaft wegen § 67 Abs. 2 AktG veranlasst werden, sich über den Inhalt des Aktienregisters zu äußern (MünchKomm-Hüffer, AktG, 2. Aufl., § 258 Rz. 46). Die Auffassung des LG, § 258 Abs. 2 Satz 5 AktG schließe als Spezialvorschrift zu § 15 Abs. 2 FGG alle anderen Mittel der Glaubhaftmachung aus, findet im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Die Formulierung, dass eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar „genügt“, beinhaltet gerade keine Beschränkung auf diese Art der Glaubhaftmachung, sondern eröffnet lediglich die Möglichkeit, diese neben anderen zulässigen Möglichkeiten zu nutzen, auch wenn damit die praktische Bedeutung des § 258 Abs. 2 Satz 5 AktG gering bleibt.

c) Eine privatschriftliche eidesstattliche Versicherung (vgl. Bassenge/Roth, FGG/RPflG, 11. Aufl., § 15 FGG Rz. 44; Keidel/Schmidt, a.a.O., § 15 Rz. 73) ist deshalb auch im Rahmen des § 258 AktG ein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Aktien der Antragsgegnerin um nicht verbriefte, vinkulierte Namensaktien handelt. In einem solchen Fall bedarf es regelmäßig keiner weiteren Glaubhaftmachung, wenn von Seiten der Gesellschaft, die das Aktienregister führt, keine Einwände gegen die Einhaltung der Mindestbesitzzeit durch den Antragsteller erhoben werden. So liegt der Fall hier. Der Hinweis der Antragsgegnerin auf § 4 des „Shareholders Agreement“ vom 14.9.2000 geht fehl, denn dieser ändert nichts an dem in der Satzung festgeschriebenen Erfordernis der Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung der Aktien. Vielmehr wird in Abs. 1 in Ergänzung zu der in der Satzung bestimmten Zustimmungspflicht auch die Befugnis zum Verkauf, zur Belastung und wirtschaftlich vergleichbaren Rechtsgeschäften von ZIP Heft 32/2009, Seite 1526der Zustimmung der übrigen Gesellschafter abhängig gemacht und hierzu in Abs. 2 bestimmt, dass „die Zustimmung gem. Abs. 1“ nicht erforderlich ist bei der Veräußerung der Aktien an Ehefrau, Lebenspartnerin, Kinder oder Eltern.

2. Auch die weiteren formellen Voraussetzungen liegen vor.

a) Antragsfrist (§ 258 Abs. 2 Satz 1) und Quorum (§ 258 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG) sind eingehalten. Einer Hinterlegung der Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag (§ 258 Abs. 2 Satz 4 AktG) bedarf es hier nicht, denn zur Übertragung der auf den Namen lautenden, nicht verbrieften Aktien bedarf es der Zustimmung der Gesellschaft. Angesichts des überschaubaren Aktionärskreises ist damit sichergestellt, dass diese von einer Änderung des antragsbegründenden Aktienbestandes Kenntnis erhält und die entfallene Antragsberechtigung rügen kann (vgl. OLG München ZIP 2007, 1728 (LS) = AG 2008, 33, 34 zu § 142 AktG). Die Antragsberechtigung muss bis zur gerichtlichen Entscheidung vorliegen, Aktienbesitz während der Sonderprüfung ist hingegen nicht erforderlich (Hüffer, a.a.O., § 258 Rz. 17; Bürgers/Körber, a.a.O., § 258 Rz. 19).

b) Dem Antragsteller fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Auch wenn er die Veräußerung seiner Anteile an Mitaktionäre betreibt und hierzu verpflichtet sein sollte, stehen ihm, solange er Inhaber der Aktien ist, die Rechte als Aktionär zu. Dem steht nicht entgegen, dass die Bewertung seiner Anteile zum Stichtag 19.5.2003 erfolgt. Denn daraus folgt nur, dass sich die Geschäftsentwicklung in den Folgejahren nicht mehr auf den von den Käufern zu entrichtenden Preis für die Aktien auswirkt.

Im Übrigen bezweckt § 258 AktG vor allem, unzulässige Unterbewertungen aufzudecken und damit Bewertungsvorschriften durchzusetzen (Hüffer, a.a.O., § 258 Rz. 1; Claussen, in: Kölner Komm. z. AktG, § 258 Rz. 3). Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller sein Antragsrecht rechtsmissbräuchlich ausübt, indem er es illoyal und grob eigennützig für die Durchsetzung ausschließlich sachfremder Zwecke missbraucht. Der Umstand, dass zwischen dem Antragsteller und der Gesellschaft sowie Mitaktionären eine Vielzahl von Streitigkeiten bestehen, reicht dafür nicht aus.

3. Materielle Voraussetzung für die Bestellung von Sonderprüfern nach § 258 Abs. 1 Satz 1 AktG ist schließlich, dass Anlass für die Annahme einer Unterbewertung bestimmter Posten des festgestellten Jahresabschlusses besteht.

a) Das ist der Fall, wenn konkrete Sachverhaltselemente vorliegen, die für einen verständigen und objektiv Beurteilenden den Schluss auf eine nicht unwesentliche Unterbewertung nahe legen (MünchKomm-Hüffer, AktG, § 258 Rz. 11). Denn für die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut nicht der Feststellung der nicht unwesentlichen Unterbewertung, sondern es genügt ein diesbezüglicher Anfangsverdacht (OLG München NZG 2006, 628, 630; MünchKomm-Hüffer, a.a.O., § 258 Rz. 56; a.Ä. Jänig, NZG 2008, 257, 259 – hinreichender Verdacht erforderlich). Der Antragsteller hat in seinem Antrag konkrete Sachverhalte zu benennen, die geeignet sind, eine nicht unwesentliche Unterbewertung zu belegen. Ist das der Fall, muss sich das Gericht unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gesellschaft sowie des Vorstands, des Aufsichtsrats und – soweit vorhanden – des Abschlussprüfers (§ 258 Abs. 3 Satz 1 AktG) eine Überzeugung davon bilden, ob der Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern berechtigt ist, also ein Anfangsverdacht einer nicht unwesentlichen Unterbewertung vorliegt. Die Entscheidung des Gerichts über den Antrag bedeutet nämlich nicht die Vorwegnahme des Ergebnisses der Sonderprüfung (Hüffer, a.a.O., § 258 Rz. 19; Bürgers/Körber, a.a.O., § 258 Rz. 21). Ermittlungen (§ 12 FGG) sind deshalb nur insoweit vorzunehmen, als sie zur Frage des Anfangsverdachts erforderlich sind, und nicht etwa darauf zu erstrecken, ob tatsächlich eine nicht unwesentliche Unterbewertung vorliegt, denn das ist Gegenstand der Sonderprüfung.

b) Nach diesen Maßstäben hat das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht Sonderprüfer bestellt, weil nach dem schlüssigen Vortrag des Antragstellers auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Gesellschaft und des Aufsichtsrats Anlass für die Annahme besteht, dass im festgestellten Jahresabschluss zum 31.12.2006 ein bestimmter Posten nicht unwesentlich unterbewertet ist (§ 258 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 256 Abs. 5 Satz 3 AktG). (Wird ausgeführt.)

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Richterin am OLG Margaretha Förth, München</einsender><//einsender>

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