OLG München: Zur Verlängerung der Antragsbegründungsfrist im Spruchverfahren wegen fehlender Unterlagen

23.07.2009

SpruchG § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, § 7 Abs. 3

Zur Verlängerung der Antragsbegründungsfrist im Spruchverfahren wegen fehlender Unterlagen

OLG München, Beschl. v. 11. 12. 2008 – 31 Wx 85/08

Leitsatz des Gerichts:

Eine Verlängerung der Antragsbegründungsfrist im Spruchverfahren kann nur gewährt werden, wenn der Antragsteller, der in seinem Antrag keine konkreten Einwendungen gegen die Bewertung erhebt, innerhalb der Antragsfrist darlegt und glaubhaft macht, dass er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht über die Unterlagen nach § 7 Abs. 3 SpruchG verfügt.

Gründe:

I. Gegenstand des Verfahrens ist die angemessene Barabfindung aufgrund des am 15.12.2004 beschlossenen Ausschlusses der Minderheitsaktionäre der KH AG.

Die Antragsgegnerin war Hauptaktionärin der KH AG (im Folgenden: Gesellschaft), deren Unternehmensgegenstand die Fabrikation und der Vertrieb von Werkzeugen und Hartstoffen sowie der Verkauf von Maschinen und Anlagen ist. Sie hielt 99,3 % des Grundkapitals der Gesellschaft i.H. v. 38.346.891,09 €, das in 1.377.500 auf den Inhaber lautende Stammstückaktien und 122.500 auf den Inhaber lautende stimmrechtslose Vorzugsstückaktien aufgeteilt war. Beide Aktiengattungen wurden an der Börse im amtlichen Markt gehandelt. Die Hauptversammlung beschloss am 15.12.2004, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung von 316,07 € je Stammstückaktie und von 301,76 € je Vorzugsstückaktie auf die Hauptaktionärin zu übertragen. Die von der Hauptaktionärin angebotenen Beträge entsprachen dem durchschnittlichen gewichteten Börsenpreis in den drei Monaten vor Ankündigung der Maßnahme. Die mit der Bewertung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kam unter Anwendung des Ertragswertverfahrens zu einem Unternehmenswert von 377,9 Mio. € und zu einem Wert von 251,94 € je Aktie, wobei sie nicht zwischen den Aktiengattungen unterschied. Der sachverständige Prüfer befand die angebotene Barabfindung für angemessen. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs im Anfechtungsverfahren erhöhte die Hauptaktionärin die Barabfindung auf 324,07 € bzw. 309,76 €; bei Verzicht auf ein Spruchverfahren wurde eine weitere Erhöhung der Abfindung um 12 € angeboten. Der Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre wurde am 28.4.2005 in das Handelsregister eingetragen; die Bekanntmachung erfolgte am 7.5.2005.

Die Antragsteller zu 1) bis 10) und 12) bis 38) beantragten mit unterschiedlichen Begründungen die Festsetzung einer höheren Barabfindung. Der Antragsteller zu 11) führte in seinem Antrag vom 28.7.2005 aus, er halte den angebotenen Betrag für nicht angemessen und beantrage dessen gerichtliche Festsetzung. Vor der Begründung bitte er dem Antragsgegner gem. § 7 Abs. 3 SpruchG aufzugeben, den Übertragungsbericht und den Bericht des sachverständigen Prüfers zur Verfügung zu stellen, da diese nicht vorlägen. Es werde um eine Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat nach Vorliegen der Unterlagen gebeten.

Mit Beschluss vom 28.5.2008 wies das LG den Antrag des Antragstellers zu 11) als unzulässig zurück und setzte die angemessene Barabfindung auf 347,42 € fest. Gegen den Beschluss des LG legten die Antragsteller zu 11), 19) und 28) bis 37) sofortige Beschwerde ein.

II. Die sofortigen Beschwerden sind zulässig, bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Das LG hat den Antrag des Antragstellers zu 11) zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil er keine konkreten Einwendungen gegen die Unternehmensbewertung enthielt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG).

a) Die Antragsbegründung ist Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. OLG Frankfurt/M. ZIP 2007, 839 = AG 2007, 448; OLG Stuttgart ZIP 2004, 1907 = NZG 2004, 1162; Büchel, NZG 2003, 793; Luttermann, EWiR 2005, 51; Simon/Leuering, SpruchG, § 4 Rz. 35; BT-Drucks. 15/371, S. 13). Sie hat konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation oder den als Grundlage für diese ermittelten Unternehmenswert zu enthalten, soweit hierzu Angaben in den in § 7 Abs. 3 SpruchG genannten Unterlagen enthalten sind. Das Begründungserfordernis des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG wurde eingeführt, um das Spruchverfahren wesentlich zu beschleunigen (vgl. BT-Drucks. 15/371, S. 13). Durch das Erfordernis einer konkreten Bewertungsrüge soll vermieden werden, dass mit pauschalen unspezifischen Rügen ein aufwendiges Spruchverfahren in Gang gesetzt werden kann (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., Anh. zu § 305, § 4 SpruchG Rz. 6, 9; Simon/Leuering, a.a.O., § 4 Rz. 34). Der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG) tritt insoweit zurück (KG NZG 2008, 469; Winter/Nießen, NZG 2005, 13).

b) Der vom Antragsteller zu 11) eingereichte Antrag beschränkt sich auf die Mitteilung, er halte den angebotenen Betrag nicht für angemessen. Dieser Vortrag, der keine konkrete Einwendung darlegt, genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, ebenso wenig die pauschale Bezugnahme auf „in dieser Sache bereits vorliegende Anträge und deren Begründungen“ (vgl. KG NZG 2008, 469, 470; Wasmann, in: Kölner Komm. z. SpruchG, § 4 Rz. 17). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war das LG nicht gehalten, auf die Unzulänglichkeit der Begründung bereits nach Eingang des Antrags hinzuweisen, zumal der Antragsteller – wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist – regelmäßig an Spruchverfahren beteiligt ist. Es ist Sache des Antragstellers, die gesetzlichen Anforderungen an den Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens einzuhalten. Im Übrigen hat das LG in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2006 auf die Unzulässigkeit dieses Antrags hingewiesen und damit dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, den Antrag vor der gerichtlichen Entscheidung zurückzunehmen.

2. Das LG hat zu Recht dem Antragsteller zu 11) die beantragte Fristverlängerung nicht gewährt.

a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Satz 2 SpruchG kann auf Antrag die Frist angemessen verlängert werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, im Zeitpunkt der Antragstellung aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, über die Unterlagen nach § 7 Abs. 3 SpruchG nicht zu verfügen, und gleichzeitig Abschrifterteilung verlangt.

Der Antragsteller zu 11) hat in seinem Antrag vom 28.7.2005 lediglich vorgetragen, dass ihm der Übertragungsbericht und der Bericht des sachverständigen Prüfers nicht vorlägen. Das ist nicht ausreichend. Denn nachdem keine Gründe dafür genannt werden, weshalb der Antragsteller zu 11) nicht über die Unterlagen verfügt, kann auch nicht beurteilt werden, ob er diesen Umstand zu vertreten hat.

Dabei hat es regelmäßig der Antragsteller zu vertreten, wenn ihm Unterlagen deshalb nicht vorliegen, weil er die ihm zustehenden Informationsrechte (etwa aus § 293f Abs. 2, § 319 Abs. 3, § 320 Abs. 4, § 327c Abs. 4 AktG) nicht wahrgenommen hat (vgl. Hüffer, a.a.O., Anh. zu § 305, § 4 SpruchG Rz. 8). Das verkennt der Antragsteller zu 11), wenn er darauf verweist, dass ein Aktionär grundsätzlich nicht verpflichtet sei, Unterlagen von der Gesellschaft anzufordern oder an Hauptversammlungen teilzunehmen. Das trifft für sich genommen zu, hat aber zur Folge, dass der sich passiv verhaltende Aktionär dann hinzunehmen hat, den Zulässigkeitsanforderungen für einen Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens nicht genügen zu können. Sofern der Antragsteller seine Aktien erst nach der Hauptversammlung erwirbt, hat er zwar keinen materiellrechtlichen Anspruch auf Abschrifterteilung. In diesem Fall ist er aber gehalten, die Gesellschaft vor Antragstellung um Übersendung der Unterlagen zu bitten, um das ihm Mögliche und Zumutbare für die Beschaffung der notwendigen Unterlagen zu tun (vgl. Simon/Leuering, a.a.O., § 4 Rz. 54; Bungert/Mennecke, BB 2003, 2021, 2026).

b) Der Antragsteller hat, wenn er in seinem Antrag nicht konkrete Einwendungen gegen die Bewertung erhebt, bereits bei Antragstellung, jedenfalls aber innerhalb der Antragsfrist (§ 4 Abs. 1 SpruchG) darzulegen und glaubhaft (§ 15 Abs. 2 FGG) zu machen, dass er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht über die Unterlagen verfügt. Nur dann kann das Gericht auf entsprechenden Antrag die Begründungsfrist angemessen verlängern und der Antragsgegnerin gem. § 7 Abs. 3 SpruchG aufgeben, dem Antragsteller die Berichte zu übersenden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antrag vom 28.7.2005 nicht, so dass eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht in Betracht kam. Das LG hatte deshalb auch keinen Anlass, sich mit § 7 Abs. 3 SpruchG auseinanderzusetzen. Werden innerhalb der Antragsfrist weder konkrete Einwendungen gegen die Bewertung erhoben noch Umstände dargelegt und glaubhaft gemacht, aus denen es dem Antragsteller ohne sein Verschulden nicht möglich ist, konkrete Einwendungen zu erheben, ist der Antrag unzulässig. Darlegungen, die erst nach Ablauf der Antragsfrist erfolgen, sind nicht geeignet, einen unzulässigen Antrag nachträglich zulässig zu machen oder eine Verlängerung der Begründungsfrist zu ermöglichen. Schon aus diesem Grund geht der Hinweis der Beschwerde auf die mit dem nach der mündlichen Verhandlung vor dem LG mit Schriftsatz vom 8.12.2006 eingereichten Erläuterungen fehl. Im Übrigen ist der Vortrag des Antragstellers, er sei auf der Hauptversammlung nicht zugegen gewesen und habe erst durch Ausbuchung seiner Aktien vom Squeeze out erfahren, ohnehin – wie bereits oben ausgeführt – nicht geeignet, eine Verlängerung der Begründungsfrist zu tragen.

2. Auch die übrigen sofortigen Beschwerden waren zurückzuweisen, da die vom LG festgesetzte Barabfindung angemessen ist. (Wird ausgeführt.)

<einsender>Mitgeteilt von Richterin am OLG Margaretha Förth, München</einsender>

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