BGH, Urteil vom 2. Mai 2024 - III ZR 197/23

02.07.2024

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

2. Mai 2024

UytterhaegenJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BMV-Z § 8 Abs. 7 Satz 2, 3 (F: 1. Juli 2018)


Aus § 8 Abs. 7 Satz 2 und 3 des Bundesmantelvertrags - Zahnärzte ergibt sich kein Schriftformerfordernis im Sinne des § 125 BGB für einen nach § 87 Abs. 1a Satz 2 SGB V zu erstellenden Heil- und Kostenplan, wenn auf Wunsch des gesetzlich versicherten Patienten eine von der Regelversorgung nach § 56 Abs. 2 SGB V abweichende, andersartige Versorgung gemäß § 55 Abs. 5 SGB V durchgeführt wird.


BGH, Urteil vom 2. Mai 2024 - III ZR 197/23 - Kammergericht, LG Berlin


Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, den Richter Reiter, die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher sowie den Richter Dr. Kessen

für Recht erkannt:

Auf die von der Streithelferin für die Klägerin eingelegte Revision wird das Urteil des Kammergerichts - 20. Zivilsenat - vom 26. Mai 2023 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

[1] Die Klägerin, ein Abrechnungsunternehmen, nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht der Streithelferin auf Honorarzahlung aus zahnärztlicher Behandlung in Anspruch.

[2] Der bei der T. Krankenkasse gesetzlich versicherte Beklagte befand sich seit Januar 2018 in zahnärztlicher Behandlung bei der Streithelferin. Im Zuge der Behandlung unterzeichnete er im März 2019 vier implantologische Leistungen betreffende Heil- und Kostenpläne und eine Gebührenvereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ (Panoramaschichtaufnahme der Kiefer im 3-D-Verfahren) in Höhe von insgesamt 4.459,79 € sowie einen Heil- und Kostenplan vom 1. März 2019, der bei voraussichtlichen Gesamtkosten von 8.057,18 € (Totalprothese Ober- und Unterkiefer, acht Wurzelkappen mit Stift als Prothesenanker) einen Eigenanteil von 7.282,92 € auswies. Einen weiteren Heil- und Kostenplan vom 1. Oktober 2019 (Versorgung des zahnlosen Ober- und Unterkiefers jeweils durch eine totale Prothese unter Verwendung eines zweiphasigen Implantatsystems für acht Zähne), der bei voraussichtlichen Gesamtkosten von 13.685 € einen Eigenanteil von 12.678,46 € vorsah und auf dessen Grundlage die nachfolgende zahnärztliche Behandlung erfolgte, unterschrieb der Beklagte nicht. Die

T. Krankenkasse bewilligte hierfür jedoch einen Festzuschuss - wie im Heil- und Kostenplan ausgewiesen - in Höhe von 1.006,54 €. Nach Abschluss der Behandlung stellte die Streithelferin unter dem 31. Januar 2020 dem Beklagten nach den Bestimmungen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) 14.860,50 € in Rechnung. Trotz mehrfacher Aufforderungen leistete er keine Zahlungen.

[3] Die Klägerin hat geltend gemacht, die der Rechnung vom 31. Januar 2020 zugrundeliegende zahnärztliche Behandlung sei medizinisch notwendig gewesen. Der Heil- und Kostenplan vom 1. Oktober 2019 sei dem Beklagten vor Beginn der Behandlung am 23. Oktober 2019 ausgehändigt und zuvor mündlich erläutert worden. Auf die fehlende Unterzeichnung des Heil- und Kostenplanes komme es nicht an. Die zur ausreichenden Information des Patienten gemäß § 630c Abs. 3 BGB erforderliche Textform sei gewahrt worden. Die zahnärztlichen Leistungen seien korrekt abgerechnet und mangelfrei erbracht worden.

[4] Das Landgericht hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 4.287,85 € nebst Zinsen sowie Mahn- und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Streithelferin der Klägerin die Zahlung weiterer 10.572,65 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten an die Klägerin erreichen.

Entscheidungsgründe

[5] Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[6] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

[7] Der geltend gemachte Honoraranspruch scheitere im Umfang der Klageabweisung, weil der Heil- und Kostenplan vom 1. Oktober 2019 wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Schriftform nichtig sei.

[8] Soweit das Landgericht das Erfordernis einer schriftlichen Vereinbarung aus § 1 Abs. 2 Satz 2, § 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ herleite, sei dem nicht zu folgen. Insbesondere könne die Abgrenzung einer zahnmedizinisch notwendigen Leistung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ von einer auf Verlangen erbrachten Leistung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ bei gesetzlich versicherten Patienten nicht danach vorgenommen werden, ob eine Regelversorgung nach § 56 Abs. 2 SGB V oder eine andersartige Versorgung nach § 55 Abs. 5 SGB V vorliege.

[9] Der Anspruch der Klägerin scheitere jedoch daran, dass die aus § 8 Abs. 7 des Bundesmantelvertrags - Zahnärzte (BMV-Z) in der seit 1. Juli 2018 gültigen Fassung sich ergebende Schriftform nicht eingehalten sei. Hiernach dürfe der Vertragszahnarzt eine Vergütung nach der GOZ nur fordern, soweit der Versicherte ausdrücklich verlange, auf eigene Kosten behandelt zu werden. Hierüber solle vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden. Darin solle sich der Vertragszahnarzt den Wunsch des Versicherten, die Behandlung auf eigene Kosten durchzuführen, bestätigen lassen. Dabei handele es sich um ein Schriftformerfordernis im Sinne der §§ 126, 127 BGB. Dem stehe nicht entgegen, dass der BMV-Z ebenso wie der Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) als öffentlich-rechtlicher Vertrag einzuordnen sei. Denn beide Vertragswerke dienten der konkreten Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung und hätten Rechtsnormcharakter mit Drittwirkung. Dies rechtfertige die Gleichstellung mit einer "gesetzlichen Regelung" im Sinne des § 125 BGB. Dass § 8 Abs. 7 BMV-Z als Soll-Vorschrift ausgestaltet sei, führe zu keiner anderen Sichtweise. Denn Sinn und Zweck der Regelung sei es, dem Kassenpatienten deutlich vor Augen zu führen, dass er den Bereich des erstattungsfähigen Zahnersatzes verlasse und stattdessen Privatleistungen in Anspruch nehme. Vorliegend habe es daher einer schriftlichen Vereinbarung über die zu erwartenden Kosten der konkreten Behandlung bedurft. Da der Kostenplan diese Kriterien nicht erfülle, sei eine darauf gestützte Honorarvereinbarung gemäß § 125 BGB nichtig. Es sei auch nicht treuwidrig, dass sich der Beklagte auf die Formnichtigkeit berufe. Die Höhe des vom Landgericht zuerkannten Betrags sei nicht zu beanstanden. Dieses habe sich zu Recht darauf beschränkt, nur diejenigen Rechnungspositionen zu berücksichtigen, die bereits in dem Heil- und Kostenplan vom 1. März 2019 enthalten gewesen seien.

[10] II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

[11] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert der auf § 630a Abs. 1 BGB i.V.m. § 55 Abs. 5 SGB V und den Bestimmungen der GOZ beruhende Vergütungsanspruch der Streithelferin nicht an der Formunwirksamkeit des Heil- und Kostenplanes vom 1. Oktober 2019 (Anlagen K 8 und B 6 S. 2). Die Versorgung des (zahnlosen) Beklagten mit Zahnersatz war medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ (1.). Der Heil- und Kostenplan vom 1. Oktober 2019 entspricht der Anlage 2 zum BMV-Z und ist von der T.

Krankenkasse nach Maßgabe des § 87 Abs. 1a SGB V geprüft und genehmigt worden (2.). Aus § 8 Abs. 7 BMV-Z ergibt sich kein Schriftformerfordernis für einen Heil- und Kostenplan, wenn sich der gesetzlich Versicherte für eine andersartige Versorgung gemäß § 55 Abs. 5 SGB V entscheidet (3.).

[12] 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die Formbedürftigkeit des Heil- und Kostenplanes vom 1. Oktober 2019 nicht auf § 2 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ stützen lässt.

[13] a) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ darf ein Zahnarzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung erforderlich sind. Soweit der Patient dies verlangt, können darüber hinaus gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ auch Wunschleistungen durchgeführt und liquidiert werden, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgehen (zB ärztlich nicht indizierte Leistungen zu ästhetischen Zwecken; siehe Senat, Urteile vom 23. März 2006 - III ZR 223/05, NJW 2006, 1879 Rn. 13 und vom 3. November 2016 - III ZR 286/15, NJW-RR 2017, 596 Rn. 10). Nur in einem solchen Fall muss die das Maß des medizinisch Notwendigen übersteigende Versorgung in einem Heil- und Kostenplan schriftlich (§ 125 Satz 1, § 126 BGB) vereinbart werden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ).

[14] Eine Behandlungsmaßnahme ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen oder zu lindern (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. März 2003 - IV ZR 278/01, BGHZ 154, 154, 166 f; Schroeder-Printzen in Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 2019, § 1 GOÄ Rn. 43; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl., § 1 GOZ Rn. 11; jew. mwN). Es kommt somit auf die zahnmedizinische und nicht auf die wirtschaftliche Notwendigkeit an, so dass insoweit Kostengesichtspunkte nicht einzubeziehen sind. Nichts Anderes kann § 55 SGB V entnommen werden. Die Vorschrift definiert den Leistungsanspruch der (gesetzlich) Versicherten bei Zahnersatz. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. Die medizinische Notwendigkeit in dem dargelegten Sinn ist somit Voraussetzung des Bestehens eines Leistungsanspruchs in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Begriff der "medizinisch notwendigen Versorgung" wird in § 55 Abs. 1 SGB V nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Wie die medizinisch notwendige Versorgung mit Zahnersatz dann erfolgt, ist letztendlich die Entscheidung des Versicherten gemeinsam mit seinem Zahnarzt. Er kann eine Versorgung mit der Regelversorgung (§ 56 Abs. 2 SGB V) durchführen lassen, ist aber darauf nicht festgelegt. Ohne seinen Anspruch auf den nach der Regelversorgung zu bemessenden Festzuschuss zu verlieren, kann der Versicherte auch einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz (§ 55 Abs. 4 SGB V) oder einen von der Regelversorgung abweichenden, andersartigen Zahnersatz (§ 55 Abs. 5 SGB V) wählen. In allen diesen Fällen ist die Versorgung mit Zahnersatz notwendig (vgl. Altmiks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 55 Rn. 30 [Stand: 22. Juni 2022]; Jahn, ZMGR 2021, 135, 136). Es ist somit unzutreffend, allein die Regelversorgung nach § 56 Abs. 2 SGB V mit der medizinischen Notwendigkeit einer Leistung gleichzusetzen (so aber LG Flensburg, NJW-RR 2021, 629 Rn. 15). Unterschiedlich sind allerdings die Abrechnungswege. Die Leistungen der Regelversorgung werden nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (BEMA) und den gemäß § 57 Abs. 2 Satz 3 SGB V vereinbarten Höchstpreisen für zahntechnische Leistungen abgerechnet. Demgegenüber können die zahnärztlichen Leistungen bei gleichartigen oder andersartigen Versorgungen dem Versicherten teilweise oder ganz nach der GOZ in Rechnung gestellt werden. Die über die Regelversorgung hinausgehenden zahntechnischen Leistungen werden in der Regel auf der Grundlage der Bundeseinheitlichen Benennungsliste für zahntechnische Leistungen (BEB) abgerechnet (Altmiks aaO).

[15] b) Nach diesen Grundsätzen hat die Streithelferin eine im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ zahnmedizinisch notwendige Leistung erbracht. Der Beklagte hatte sich zur zahnärztlichen Versorgung seines (zahnlosen) Ober- und Unterkiefers für implantatgestützte Totalprothesen entschieden. Dabei handelte es sich um eine andersartige Versorgung nach § 55 Abs. 5 SGB V, die zwar medizinisch notwendig, aber nicht Bestandteil des Sachleistungsanspruchs in der gesetzlichen Krankenversicherung war. Denn nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine ausreichende vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (Zahnersatz-Richtlinie) vom 8. Dezember 2004, zuletzt geändert am 18. Februar 2016, gehören sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit Implantaten nicht zur Regelversorgung (vgl. Altmiks aaO Rn. 8, 65, 156; Jahn aaO). Dadurch werden sie aber nicht zu Verlangensleistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ.

[16] 2. Aus den Bestimmungen des SGB V zur zahnmedizinisch notwendigen Versorgung der Versicherten mit Zahnersatz ergibt sich nicht, dass Heil- und Kostenpläne der Schriftform im Sinne der §§ 125, 126 BGB genügen müssen.

[17] a) Die Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst sowohl die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 28 Abs. 2 SGB V) als auch die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a i.V. m. §§ 55 ff SGB V). § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V definiert die von den Zahnersatzleistungen nach § 55 SGB V abzugrenzende zahnärztliche Behandlung als Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Für den Versicherten ist die Abgrenzung von Bedeutung, weil er nur die zahnärztliche Behandlung - anders als die Zahnersatzleistungen - ohne erheblichen eigenen Anteil erhält. Davon abweichend bestimmt § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V, dass der Versicherte ausnahmsweise auch im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung Mehrkosten selbst zu tragen hat, wenn er bei Zahnfüllungen eine überobligatorische Versorgung wählt. Aus § 28 Abs. 2 Satz 3 SGB V ergibt sich, dass als ausreichend und zweckmäßig nur die preisgünstigste plastische Füllung anzusehen ist. Überobligatorisch sind alle darüber hinausgehenden aufwändigeren Füllungen (zB eine Inlay-Versorgung aus Gold oder Keramik). Wählt der Versicherte eine solche überobligatorische Füllung, hat er als Rechtsfolge die Mehrkosten zu tragen, was allerdings gemäß § 28 Abs. 2 Satz 4 SGB V eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten voraussetzt. Diese dient nicht nur Beweiszwecken, sondern ihr kommt auch eine Warn- und Schutzfunktion zugunsten des Versicherten zu, indem dieser vor einer übereilten Vereinbarung überobligatorischer Leistungen auf eigene Kosten geschützt wird (vgl. Fahlbusch in Schlegel/Voelzke aaO § 28 Rn. 42 ff [Stand: 15. Juni 2020]).

[18] b) Für den Bereich der Versorgung mit Zahnersatz (§§ 55 ff SGB V) besteht kein solches gesetzliches Schriftformerfordernis, weil die zu erwartenden Kosten aus dem zwingend vor der Behandlung zu erstellenden und von der Krankenkasse insgesamt - auch hinsichtlich der zusätzlichen beziehungsweise andersartigen Leistungen nach § 55 Abs. 4 und 5 SGB V - zu prüfenden Heil- und Kostenplan ersichtlich sind (Becker/Kingreen/Niggehoff, SGB V, 8. Aufl., § 28 Rn. 49a). Der Versicherte wird dadurch hinreichend vor übereilten Entscheidungen geschützt. Es fehlt auch nicht an der nötigen Transparenz hinsichtlich der zu tragenden Kostenanteile, zumal der Versicherte den ausgefüllten Kostenplan beziehungsweise einen entsprechenden Vordruck zur Vorlage bei der Krankenkasse erhält (vgl. Abschnitt 3.7 Satz 9 der Vereinbarung nach § 87 Absatz 1a SGB V über die Versorgung mit Zahnersatz zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen in der seit dem 1. Juli 2018 geltenden Fassung = Anlage 2 zum BMV-Z sowie Becker/?Kingreen/Niggehoff aaO; BeckOGK/Nolte, SGB V, § 55 Rn. 56 [Stand: 1. März 2016]) und den Vertragszahnarzt nach § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht trifft, die er in Textform (§ 126b BGB) erfüllen muss. § 87 Abs. 1a SGB V regelt in den Sätzen 2 bis 9 das Bewilligungsverfahren für die Gewährung der Festzuschüsse. Der Vertragszahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V (von der Regelversorgung abweichende Leistungen) nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet (§ 87 Abs. 1a Satz 2 SGB V; siehe auch Abschnitt 1.1 und 1.2 der Anlage 2 zum BMV-Z). Gemäß § 87 Abs. 1a Satz 4 SGB V hat die Krankenkasse den Heil- und Kostenplan vor dem Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen. Die Prüfung muss sich auf den gesamten Plan erstrecken, also auch auf die Teile, die privat zu vereinbarende und nach der GOZ abzurechnende zusätzliche oder andersartige Leistungen nach § 55 Abs. 4 oder 5 SGB V vorsehen (vgl. Abschnitt 2.6 der Anlage 2 zum BMV-Z; BeckOGK/Nolte aaO). Inhaltlich muss die Prüfung insbesondere die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der geplanten Maßnahmen sowie die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen der Leistung umfassen. Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 SGB V entsprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Befund (§ 87 Abs. 1a Satz 6 SGB V), wobei die Bewilligung des Festzuschusses grundsätzlich vor der Behandlung zu erfolgen hat. Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Vertragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Festzuschüsse in den Fällen der Regelversorgung (§ 56 Abs. 2 SGB V) und der gleichartigen Versorgung (§ 55 Abs. 4 SGB V) mit der für ihn zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) ab (§ 87 Abs. 1a Satz 7 SGB V). Die Mehrkosten für die gleichartige Versorgung berechnet der Zahnarzt nach der GOZ gegenüber dem Versicherten selbst (§ 87e Satz 1 SGB V). Sofern - wie hier - eine andersartige Versorgung erfolgte, erhält der Versicherte den bewilligten Festzuschuss unmittelbar von seiner Krankenkasse (§ 55 Abs. 5 SGB V). Die KZV ist in diesem Fall nicht mehr in das Abrechnungsverfahren einbezogen. Vielmehr macht der Vertragszahnarzt selbst seinen Anspruch auf Bezahlung der bei der Behandlung entstandenen Kosten unmittelbar und in vollem Umfang gegenüber dem Versicherten nach der GOZ geltend (zu dem Verfahren nach § 87 Abs. 1a SGB V siehe BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 5/12 R, juris Rn. 10 f; Altmiks aaO Rn. 159 ff, 165; BeckOGK/Hess, SGB V, § 87 Rn. 10 ff [Stand: 1. März 2022]; BeckOGK/Nolte aaO § 55 Rn. 53 ff, 66).

[19] c) Der von den Parteien vorgelegte Heil- und Kostenplan vom 1. Oktober 2019 erfüllt die vorgenannten Kriterien und entspricht den Vorgaben der Anlage 2 zum BMV-Z. Aus dem verwendeten Vordruck 3a "Heil- und Kostenplan Teil 1" (Anlage B 6 S. 2) ergeben sich insbesondere der Befund, die Regelversorgung und die Therapieplanung. Außerdem ist darin kenntlich gemacht, dass die Auszahlung des Festzuschusses gemäß § 55 Abs. 5 SGB V direkt von der Krankenkasse an den Versicherten zu erfolgen hat. Aus dem ausgefüllten Vordruck 3b "Heil- und Kostenplan Teil 2" (Anlage K 8) ergeben sich die Gesamtkosten in Höhe von 13.685 € (aufgegliedert nach Honorar gemäß GOZ und Material- und Laborkosten) sowie ein Festzuschuss von 1.006,54 €. Dass der Heil- und Kostenplan der T. Krankenkasse im Bewilligungsverfahren zur Prüfung vorlag, ist daraus ersichtlich, dass auf dem "Heil- und Kostenplan Teil 1" (Anlage B 6 S. 2) unter dem 31. Januar 2020 ein Zuschuss von 1.006,54 € mit der Maßgabe festgesetzt wurde, dass die Krankenkasse diesen Zuschuss unter der Voraussetzung übernimmt, dass der Zahnersatz innerhalb von sechs Monaten in der vorgesehenen Weise eingegliedert wird. Unschädlich ist, dass die Zuschussfestsetzung erst am Tag der Rechnungsstellung erfolgt ist. Daran muss sich die Krankenkasse festhalten lassen (vgl. BSG aaO Rn. 23; siehe auch S. 1 der Stellungnahme der Streithelferin vom 8. Mai 2020 gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten [vom Beklagten als Anlage K 2 vorgelegt]: "Auch wenn der HKP schriftlich am 31.01.2020 genehmigt wurde, erhielten wir als Praxis bereits auf Grund eines Telefonates mit der T. KK die Genehmigung im Rahmen des Festzuschusses für die Totalversorgung").

[20] 3. Anders als das Berufungsgericht meint, enthält § 8 Abs. 7 Satz 2 und 3 BMV-Z kein Schriftformerfordernis für den Fall, dass der Versicherte sich für eine gleichartige (§ 55 Abs. 4 SGB V) oder eine andersartige (§ 55 Abs. 5 SGB V) Versorgung entscheidet. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der einzelnen Sätze des Absatzes 7 sowie aus einem Vergleich mit der in § 18 Abs. 8 Satz 3 Nr. 2 und 3 des Bundesmantelvertrags - Ärzte (BMV-Ä) enthaltenen Regelung.

[21] Nach § 8 Abs. 7 Satz 1 BMV-Z rechnet der Vertragsarzt gegenüber dem Versicherten die Eigenanteile an den Kosten der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen und der kieferorthopädischen Behandlung sowie die Mehrkosten für Zahnfüllungen nach § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V und für Zahnersatz und Zahnkronen nach § 55 Abs. 4 und 5 SGB V ab. Dadurch wird, soweit es um die Kosten für Zahnersatz geht, hinsichtlich der Abrechnung der Regelversorgung (§ 56 Abs. 2 SGB V) sowie der gleichartigen beziehungsweise andersartigen Versorgung (§ 55 Abs. 4 und 5 SGB V) auf die Regelung des § 87 Abs. 1a SGB V Bezug genommen, die - wie dargestellt - für den zwingend zu erstellenden Heil- und Kostenplan keine Schriftform im Sinne der §§ 125, 126 BGB, sondern eine umfassende Prüfung durch die Krankenkasse vorsieht (siehe § 87 Abs. 1a Satz 2 und 4 SGB V). Eine rein privatzahnärztliche Behandlung ist gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 BMV-Z nur "im Übrigen" zulässig, nämlich dann, wenn der Versicherte entweder die gültige elektronische Gesundheitskarte nicht vorlegt und seine Anspruchsberechtigung in der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht auf andere Weise nachweist (Alt. 1) oder ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten, d.h. als Selbstzahler ohne Beteiligung der Krankenkasse, behandelt zu werden (Alt. 2). Nur für den letzteren Fall bestimmt § 8 Abs. 7 Satz 3 BMV-Z, dass hierüber vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Vertragszahnarzt und dem Versicherten getroffen werden soll und sich der Vertragszahnarzt den Wunsch des Versicherten, die Behandlung auf eigene Kosten durchführen zu lassen, bestätigen lassen soll. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass der Bundesmantelvertrag - Zahnärzte gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BMV-Z den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge über die vertragszahnärztliche Versorgung (§§ 82 ff SGB V) regelt, also der Ausgestaltung dieser Versorgung dient. Die Erklärung des Versicherten bezieht sich somit nach dem Wortlaut und systematischen Zusammenhang von § 8 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 und Satz 3 BMV-Z auf zahnärztliche Leistungen, die ihrem Inhalt nach Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung sind, nicht aber auf Leistungen wie die andersartige Versorgung im Sinne des § 55 Abs. 5 SGB V, die außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen (vgl. Schroeder-Printzen in Clausen/Makoski aaO §§ 8, 18 BMV-Z Rn. 19; siehe auch LG Saarbrücken, Urteil vom 15. September 2005 - 16 S 11/04, juris Rn. 13 und AG Köln, MedR 2014, 111; jeweils zu der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 5 Buchst. d BMV-Z aF).

[22] Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch ein Vergleich mit § 18 Abs. 8 Satz 3 Nr. 2 und 3 BMV-Ä. In Nummer 3 wird in Ergänzung zu dem § 8 Abs. 7 Satz 3 BMV-Z entsprechenden § 18 Abs. 8 Satz 3 Nr. 2 BMV-Ä gesondert bestimmt, dass für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung des Versicherten einzuholen ist (siehe auch § 3 Abs. 1 Satz 3 BMV-Ä: "Leistungen, für die eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht besteht, können nur im Rahmen einer Privatbehandlung erbracht werden, über die mit dem Versicherten vor Beginn der Behandlung ein schriftlicher Behandlungsvertrag abgeschlossen werden muss"). Eine derartige Regelung für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung sind, enthält der Bundesmantelvertrag - Zahnärzte indes nicht.

[23] III. Das angefochtene Urteil ist nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Es sind noch Feststellungen zu treffen, ob die Streithelferin ihrer Pflicht zur wirtschaftlichen Information des Beklagten aus § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB nachgekommen ist (siehe BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 - VI ZR 92/19, BGHZ 224, 256 Rn. 12 ff) und ob die Rechnung vom 31. Januar 2020, die bislang nur hinsichtlich einzelner Positionen überprüft worden ist, insgesamt berechtigt ist.

Herrmann Reiter Arend

Böttcher Kessen

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