III ZR 262/07
BUNDESGERICHTSHOF
vom
30. April 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BNotO § 19; BGB § 278
Zur Haftung des Notars wegen einer Fehlüberweisung vom
Notaranderkonto.
BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - III ZR 262/07 -
OLG Frankfurt am Main, LG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30.
April 2008 durch die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dr. Herrmann,
Wöstmann und Hucke
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main vom 26. September 2007 - 4 U 252/06 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu
tragen.
Gegenstandswert: 35.000
Gründe:
[1] I. Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar
Schadensersatz wegen einer Fehlüberweisung vom Notaranderkonto.
[2] Am 13. Februar 2006 kaufte die Klägerin mit einem vom
Beklagten beurkundeten Kaufvertrag ein Hausgrundstück in Frankfurt
am Main, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der Kaufpreis
3 Mio. oder 3,2 Mio. betrug. Vereinbarungsgemäß zahlte die
Klägerin zur Erfüllung ihrer Zahlungspflichten 2,5 Mio. auf ein
Treuhandkonto des Beklagten.
[3] Die Verkäuferin hatte das Grundstück ihrerseits kurz
zuvor in einem ebenfalls vom Beklagten beurkundeten Kaufvertrag für
2,5 Mio. von dem B. Versicherungsverein a.G. gekauft. Der
Kaufpreis war noch nicht bezahlt, die Erstkäuferin noch nicht im
Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Nachträglich wiesen die
Parteien des zweiten Kaufvertrags den Beklagten an, einen Betrag von
2,5 Mio. unmittelbar an die Erstverkäuferin (B. ) auszuzahlen.
Beim Ausfüllen des Überweisungsauftrags gab eine Mitarbeiterin des
Beklagten zwar zutreffend den B. als Zahlungsempfänger an, trug
jedoch versehentlich die Kontoverbindung der Erstkäuferin und
Zweitverkäuferin (Vertragspartnerin der Klägerin) als das
Empfangskonto ein. Die das Anderkonto führende Sparkasse änderte
eigenmächtig die Empfängerbezeichnung und führte den
Überweisungsauftrag zugunsten der Zweitverkäuferin aus. Nach
Gutschrift der Zahlung leitete diese lediglich 2,4 Mio. an die
Erstverkäuferin (B. ) weiter. Daraufhin leistete die Klägerin, um
ihre Eintragung im Grundbuch zu erreichen, weitere 100.000 sowie
15.000 Zinsen an die Erstverkäuferin.
[4] Mit der Klage hat sie den Beklagten zunächst auf
Erstattung beider Beträge nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin,
mit der sie ihre Klageforderung auf 50.000 beschränkt hatte, hat
das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von 35.000 nebst
Zinsen verurteilt. Der Beklagte habe seine notarielle Amtspflicht
dadurch verletzt, dass seine Notargehilfin, deren Verhalten ihm nach
§ 278 BGB zuzurechnen sei, den Überweisungsbeleg versehentlich
falsch ausgefüllt habe. Aus diesem Grunde sei es zu einer
Überzahlung der Zweitverkäuferin und zu einem Schaden der Klägerin
in Höhe von 35.000 gekommen. Die Revision gegen sein Urteil hat
das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die
vom Beklagten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde.
[5] II. Die Beschwerde ist unbegründet. Weder hat die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2, § 544 ZPO).
Das Berufungsurteil steht im Einklang mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs. Gegenteilige Entscheidungen der Instanzgerichte
zeigt die Beschwerde nicht auf.
[6] 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnet es
zunächst als grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage, ob dem
Notar ein Fehlverhalten seines Gehilfen im Zusammenhang mit der
Auszahlung verwahrter Gelder gemäß § 278 BGB oder nur unter den
strengeren Voraussetzungen des § 831 BGB zuzurechnen sei.
[7] Die Frage stellt sich - wenn überhaupt - jedenfalls
nicht in dieser Allgemeinheit. Ihre Beantwortung wäre überdies durch
das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. November 1995 - IX ZR
213/94 (BGHZ 131, 200 = NJW 1996, 464 = JR 1996, 458 m. Anm.
Grziwotz) vorgezeichnet. Letztendlich hängt die Entscheidung des
Streitfalls von einer alternativen Anwendung des § 278 BGB oder des
§ 831 BGB auch deshalb nicht ab, weil die Beschwerde nicht geltend
macht, dass der Beklagte in den Tatsacheninstanzen einen
Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB geführt hätte.
[8] a) Der Senat versteht die nicht eindeutigen
Feststellungen des Berufungsurteils so, dass zwar die Notargehilfin
die Überweisung vom Anderkonto entworfen, der Beklagte diese aber
unterzeichnet und damit den Überweisungsauftrag an die Sparkasse
selbst erteilt hat. Das ergibt sich auch aus der vorgelegten Kopie.
Andernfalls läge, da der Notar die ihm aus der Verwahrung
hinterlegter Gelder zukommenden Aufgaben persönlich wahrzunehmen
hat, bereits in der Übertragung der Verfügungsbefugnis auf die
Notargehilfin eine Amtspflichtverletzung (§ 54b Abs. 3 Satz 1
BeurkG; Eylmann/Vaasen/Frenz, BNotO, BeurkG, 2. Aufl., § 19 BNotO
Rn. 55).
[9] b) Bei einem solchen Ablauf der Dinge liegt es jedoch
- womit sich weder das Berufungsgericht noch die Parteien befasst
haben - nahe, dem Notar eine Überprüfung seiner Anweisung anhand der
ihm vorliegenden oder leicht zugänglichen Unterlagen aus dem
Urkundsgeschäft und dem Verwahrungsgeschäft auch auf die Richtigkeit
der verwendeten Kontonummer abzuverlangen. Angesichts der
erheblichen Gefahr einer Fehlleitung der Gelder darf er sich nicht
darauf verlassen, dass nach gefestigter Rechtsprechung für die
beauftragte Bank im beleggebundenen Zahlungsverkehr bei Divergenzen
zwischen Empfängerbezeichnung und Kontonummer grundsätzlich die
Empfängerbezeichnung maßgebend ist, weil der Name eine wesentlich
sicherere Individualisierung ermöglicht (BGHZ 108, 386, 390 f.; BGH,
Urteil vom 8. Oktober 1991 - XI ZR 207/90 - NJW 1991, 3208, 3209;
Urteil vom 14. Januar 2003 - XI ZR 154/02 - NJW 2003, 1389 f.
m.w.N.). Die Einschaltung von Hilfspersonen entbindet den Notar
insbesondere bei der bürotechnischen Erledigung von Amtsgeschäften,
wie hier, nicht von weitgehenden Organisations- und
Kontrollpflichten (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 31, 5, 9; BGH, Urteil
vom 10. November 1988 - IX ZR 31/88 - NJW 1989, 586; Ganter in
Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, Rn. 1545 m.w.N.).
Wollte man dies anders sehen, wäre jedenfalls bei eigenen
Angestellten des Notars § 278 BGB entsprechend anzuwenden, um eine
unerträgliche Haftungslücke zu schließen (vgl. Sandkühler in
Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., § 23 Rn. 21 a.E.).
Inwieweit dies auch für sonstige Vorbereitungs-, Unterstützungs- und
Ausführungsarbeiten von Gehilfen über die in BGHZ 131, 200
behandelte Grundbucheinsicht hinaus gilt (vgl. dazu etwa Zugehör in
Zugehör/Ganter/Hertel, aaO, Rn. 352 ff., 355), kann offen bleiben.
[10] 2. Rechtsfehlerfrei hat ferner das Berufungsgericht
die notariellen Pflichtverletzungen trotz des Umstands, dass sich
anschließend auch die kontoführende Sparkasse fehlerhaft verhalten
hat, als ursächlich für den geltend gemachten Schaden angesehen.
Fehlverhalten Dritter unterbricht den Zurechnungszusammenhang
grundsätzlich nicht (vgl. nur Senatsurteil vom 11. November 1999 -
III ZR 98/99 - NJW 2000, 947, 948). Er kann bei wertender
Betrachtung entfallen, wenn ein Dritter in völlig ungewöhnlicher und
unsachgemäßer Weise eine weitere Schadensursache setzt (Senatsurteil
vom 11. November 1999 aaO; für die Anwalts- und Notarhaftung BGH,
Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 453/99 - NJW 2001, 2714, 2715;
Urteil vom 13. März 2003 - IX ZR 181/99 - NJW-RR 2003, 850, 856;
Zugehör, NJW 2003, 3225, 3227 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl.,
Vorbem. vor § 249 Rn. 73 m.w.N.). Dieser zusätzliche Fehler der
Sparkasse liegt indes nicht völlig außerhalb des vom Beklagten
gesetzten Schadensrisikos.
[11] 3. Vergeblich wendet sich die
Nichtzulassungsbeschwerde schließlich gegen die tatrichterlichen
Feststellungen des Berufungsgerichts zur Höhe des vereinbarten, im
Vertragstext widersprüchlich dargestellten Kaufpreises sowie zum
Umfang der von der Klägerin hierauf geleisteten Zahlungen mit der
Rüge, das Berufungsgericht habe in diesen Punkten wesentlichen
Sachvortrag des Beklagten übergangen und dadurch dessen
Verfahrensgrundrechte verletzt (Art. 3 Abs. 1, 103 Abs. 1 GG). Nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich
davon auszugehen, dass die Gerichte das Parteivorbringen zur
Kenntnis genommen und gewürdigt haben. Sie müssen sich nicht mit
allen Einzelheiten des Tatsachenvortrags ausdrücklich
auseinandersetzen (BVerfGE 86, 133, 145 f.; 96, 205, 216 f.). Im
Streitfall besteht keinerlei Anhalt dafür, dass das Berufungsgericht
bei seiner eingehenden Beweiswürdigung die von der Beschwerde selbst
nur als abweichende Indizien gewerteten Einzelheiten des
Beklagtenvortrags nicht mit gewürdigt hätte. Die inhaltliche
Einschätzung aller Umstände einschließlich der Prüfung vorgetragener
Indizien auf ihre Schlüssigkeit liegt in der Verantwortung des
Tatrichters und gibt für eine Zulassung der Revision hier keinen
Anlass.
Wurm Kapsa Herrmann
Wöstmann Hucke