IX ZR 235/07

25.09.2008

BUNDESGERICHTSHOF

vom

25. September 2008

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


InsO § 61 Satz 1


Die besondere Pflicht des Insolvenzverwalters, sich zu vergewissern, ob er bei normalem Geschäftsablauf zur Erfüllung der von ihm begründeten Forderungen mit Mitteln der Masse in der Lage sein wird, bezieht sich auf die primären Erfüllungsansprüche und nicht auf Sekundaransprüche (Klarstellung von BGHZ 159, 104, 110).


BGH, Beschluss vom 25. September 2008 - IX ZR 235/07 - OLG Schleswig, LG Flensburg


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Raebel und Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape

am 25. September 2008

beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 13. Juli 2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 287.194,64 € festgesetzt.

Gründe:

[1] Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

[2] 1. Soweit das Berufungsurteil die persönliche Haftung des Beklagten nach §§ 60, 61 InsO nicht hat durchgreifen lassen, beruht die angefochtene Entscheidung auf keinen zulassungserheblichen Erwägungen des Berufungsgerichts. Deshalb braucht nicht entschieden zu werden, ob es sich im Streitfall um selbständige Ansprüche oder nur um weitere Anspruchsgrundlagen handelt, welche das Berufungsgericht neben denjenigen aus unerlaubter Handlung auch dann hätte prüfen müssen, wenn sich die Klägerin - wie hier - in zweiter Instanz mit ihnen nicht mehr befasst.

[3] a) Die Haftung des beklagten Insolvenzverwalters aus § 60 InsO scheitert aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils daran, dass der Insolvenzverwalter beim Abschluss des Unternehmenskaufvertrages nicht gegen insolvenzspezifische Pflichten verstoßen hat (vgl. BGH, Urt. v. 25. Januar 2007 - IX ZR 216/05, ZIP 2007, 539 f).

[4] b) Eine Anwendung des § 61 Satz 1 InsO scheidet auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Senats ebenfalls aus. Diese Haftungsnorm ist nur einschlägig, wenn der Insolvenzverwalter zum Zeitpunkt der Begründung der Ansprüche erkennen kann, dass die Masse zur Erfüllung der Verbindlichkeit voraussichtlich nicht ausreichen wird (BGHZ 159, 104, 109). Damit korrespondiert die Entlastungsmöglichkeit nach § 61 Satz 2 InsO, welche ebenfalls an den Zeitpunkt der Begründung der Ansprüche anknüpft. In der Regel wird dies der Zeitpunkt des Vertragsschlusses sein (BGHZ aaO S. 116). Die Haftung soll das gegenüber einem normalen Geschäftsabschluss erhöhte Risiko ausgleichen, das der Vertragsabschluss durch einen insolventen Partner mit sich bringt (BGHZ aaO S. 110). Im vorliegenden Fall hat sich indes ein von der Insolvenz unabhängiges, dem "normalen Geschäftsabschluss" anhaftendes Risiko verwirklicht. Es hätte genauso bestanden, wenn die Klägerin den Kaufvertrag mit einem wirtschaftlich gesunden Partner abgeschlossen hätte. Ihr Schaden ist nicht durch die Insolvenz des Verkäufers, sondern dadurch verursacht, dass der Verkäufer nicht Inhaber des verkauften Rechts war.

[5] Die durch § 61 Satz 1 InsO sanktionierte besondere Pflicht des Verwalters, sich zu vergewissern, ob er bei normalem Geschäftsablauf zu einer rechtzeitigen und vollständigen Erfüllung der von ihm begründeten Forderungen mit Mitteln der Masse in der Lage sein wird (vgl. BGHZ aaO S. 110), bezieht sich auf die primären vertraglichen Erfüllungsansprüche. Sie passt nach Sinn und Zweck nicht auf Sekundäransprüche. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, dem Vertragspartner der Masse mehr Rechte zuzusprechen als ihm außerhalb einer Insolvenz zuständen. Dies ergibt sich schon aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats und bedarf keiner weiteren Konkretisierung durch ein weiteres Urteil.

[6] 2. Die Ansprüche aus unerlaubter Handlung hat das Berufungsgericht mit einer auf den Einzelfall bezogenen Begründung verneint. Einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bedurft es nach dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Hiermit hat es sein Bewenden. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung

der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).

Ganter Raebel Kayser

Lohmann Pape

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