VII ZR 42/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
24. April 2008
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 139
Ob ein Werkvertrag aufgrund einer Ohne-Rechnung-Abrede
insgesamt nichtig ist, richtet sich nach § 139 BGB (Abgrenzung zu
BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR 192/98, BauR 2001, 630 =
NZBau 2001, 195 = ZfBR 2001, 175).
BGB § 242 Cd
Hat der Unternehmer seine Bauleistungen mangelhaft
erbracht, so handelt er regelmäßig treuwidrig, wenn er sich zur
Abwehr von Mängelansprüchen des Bestellers darauf beruft, die
Gesetzwidrigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede führe zur
Gesamtnichtigkeit des Bauvertrages.
BGH, Urteil vom 24. April 2008 - VII ZR 42/07 - OLG
Brandenburg, LG Frankfurt (Oder)
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Dressler, den Richter Bauner, die Richterin Safari
Chabestari und die Richter Dr. Eick und Halfmeier
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12.
Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Februar
2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des
Klägers erkannt worden ist.
Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Der Kläger macht, soweit in der Revision noch von
Interesse, gegen den Beklagten Mängelansprüche wegen fehlerhafter
Bauarbeiten geltend. Im Revisionsrechtszug streiten die Parteien im
Wesentlichen darüber, ob der zugrunde liegende Werkvertrag wegen
einer der Steuerhinterziehung dienenden Ohne-Rechnung-Abrede nichtig
ist.
[2] Der Kläger beauftragte im Dezember 2003 den Beklagten
mündlich, die Terrasse seines Hauses abzudichten und mit Holz
auszulegen. Bei Beginn der Bauarbeiten Mitte Januar 2004 erhielt der
Beklagte eine Anzahlung von 1000 für Materialkosten und nach
Abschluss der Arbeiten weitere 2.250 . Eine Rechnung wurde nicht
erstellt. Kurze Zeit nach Beendigung der Arbeiten zeigten sich
Wasserschäden in der unter der Terrasse gelegenen Einliegerwohnung.
Nachbesserungsarbeiten des Beklagten blieben erfolglos. Der Kläger
verlangt nunmehr Ersatz von Selbstvornahmekosten und Vorschuss auf
Mängelbeseitigungskosten.
[3] Das Landgericht hat die insoweit auf Zahlung von
7.743,51 gerichtete Klage abgewiesen. Der Vertrag enthalte eine
Ohne-Rechnung-Abrede und sei gemäß § 134, § 138 Abs. 1, § 139 BGB
nichtig. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung
des Klägers zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, da die
höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Folgen einer
Ohne-Rechnung-Abrede nicht einheitlich sei. Der Kläger verfolgt mit
der Revision seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
[4] Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils,
soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[5] I. Das Berufungsgericht sieht in seinem Urteil (BauR
2007, 1586) eine Abrede der Parteien, dass die Leistungen des
Beklagten nicht in Rechnung gestellt werden sollten und somit auch
die Umsatzsteuer nicht abgeführt werden sollte, als erwiesen an.
Diese Ohne-Rechnung-Abrede habe die Nichtigkeit des Werkvertrags
gemäß §§ 134, 139 BGB zur Folge. Sie diene einer Steuerhinterziehung
und führe jedenfalls dann zur Nichtigkeit, wenn diese den Hauptzweck
des Vertrages darstelle. Darüber hinaus sei Nichtigkeit des
Gesamtvertrages anzunehmen, wenn die Abrede auch auf den Vertrag im
Übrigen Einfluss gehabt habe. Daran fehle es nur, wenn feststehe,
dass der Vertrag auch ohne die nichtige steuerliche Absprache zu
denselben Bedingungen - insbesondere im Hinblick auf die Vergütung -
abgeschlossen worden wäre. Die Gegenansicht, die eine
Gesamtnichtigkeit des Vertrages schon dann verneine, wenn nicht die
Steuerverkürzung, sondern ein anderer Aspekt - beim Werkvertrag etwa
die Errichtung des geschuldeten Werks - als Hauptzweck des Vertrages
anzusehen sei, lasse sich mit § 139 BGB nicht in Einklang bringen.
Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe nicht
dargetan, dass der Werkvertrag zwischen den Parteien auch bei
ordnungsgemäßer Rechnungslegung und Buchführung zu den gleichen
Konditionen abgeschlossen worden wäre. Er habe sich nicht mit dem
Vortrag des Beklagten auseinandergesetzt, bei ordnungsgemäßer
Abrechnung der Arbeitsstunden einschließlich Umsatzsteuer wäre eine
Vergütung von weit über 3.000 angefallen zuzüglich ca. 1.000 für
das verwendete Holz. Die Nichtigkeit des Werkvertrags führe zum
Ausschluss der Gewährleistungsrechte des Klägers.
[6] II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in
allen Punkten stand. Die Ohne-Rechnung-Abrede ist gemäß §§ 134, 138
BGB nichtig. Ob das zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führt,
richtet sich nach § 139 BGB, muss hier jedoch nicht abschließend
entschieden werden. Denn der Beklagte kann sich auf eine etwaige auf
den Voraussetzungen des § 139 BGB beruhende Gesamtnichtigkeit des
Bauvertrages nach Treu und Glauben nicht berufen.
[7] 1. Nach den von der Revision nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien vereinbart,
dass für die Leistungen des Beklagten eine Rechnung nicht gestellt
und die anfallende Umsatzsteuer nicht abgeführt werden sollte. Diese
Ohne-Rechnung-Abrede hatte, wie das Berufungsgericht zutreffend
sieht, nicht zur Folge, dass die Steuerhinterziehung Hauptzweck des
Vertrages war und dieser schon aus diesem Grunde insgesamt gemäß §§
134, 138 BGB nichtig ist (vgl. dazu BGH, Urteile vom 9. Juni 1954 -
II ZR 70/53, BGHZ 14, 25; vom 23. März 1961 - II ZR 157/59, WM 1961,
727; vom 23. Oktober 1975 - II ZR 109/74, WM 1975, 1279; vom 4. März
1993 - V ZR 121/92, BGHR BGB § 134 Steuerhinterziehung 1; vom 23.
Juni 1997 - II ZR 220/95, BGHZ 136, 125; vom 5. Juli 2002 - V ZR
229/01, NJW-RR 2002, 1527 und vom 2. Juli 2003 - XII ZR 74/01, NJW
2003, 2742). Hauptzweck des Vertrages war vielmehr die
ordnungsgemäße Erbringung der vereinbarten Bauleistungen durch den
Beklagten.
[8] 2. Gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig ist die der
Steuerhinterziehung dienende Ohne-Rechnung-Abrede (vgl. BGH, Urteile
vom 3. Juli 1968 - VIII ZR 113/66, MDR 1968, 834; vom 21. Dezember
2000 - VII ZR 192/98, BauR 2001, 630 = NZBau 2001, 195 = ZfBR 2001,
175 und vom 2. Juli 2003 - XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742). Damit ist
ein Teil des Vertrages nichtig und der Anwendungsbereich von § 139
BGB eröffnet.
[9] a) Nach dieser Vorschrift ist bei Nichtigkeit eines
Teils eines Vertrages der gesamte Vertrag nichtig, wenn nicht
anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen
worden wäre. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ob also die
Vermutung der Gesamtnichtigkeit durch einen entgegenstehenden
(hypothetischen) Parteiwillen entkräftet wird, ist jeweils anhand
der Umstände des Einzelfalls zu prüfen.
[10] b) Diese Grundsätze gelten auch für die Frage, ob
die Nichtigkeit einer Ohne-Rechnung-Abrede die Nichtigkeit des
ganzen Vertrages zur Folge hat (vgl. BGH, Urteile vom 3. Juli 1968 -
VIII ZR 113/66, MDR 1968, 834 zum Kaufvertrag und vom 2. Juli 2003 -
XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742 zum Mietvertrag; OLG Hamm, BauR 1997,
501; OLG Oldenburg, OLGR 1997, 2; OLG Naumburg, IBR 2000, 64,
Volltext bei Juris; OLG Saarbrücken, OLGR 2000, 303 jeweils zum
Werkvertrag). Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass
auch beim Werkvertrag Gesamtnichtigkeit nur dann nicht eintritt,
wenn angenommen werden kann, dass ohne die Ohne-Rechnung-Abrede bei
ordnungsgemäßer Rechnungslegung und Steuerabführung der Vertrag zu
denselben Konditionen, insbesondere mit derselben
Vergütungsregelung, abgeschlossen worden wäre. Soweit dem Urteil des
Senats vom 21. Dezember 2000 (VII ZR 192/98, BauR 2001, 630 = NZBau
2001, 195 = ZfBR 2001, 175) entnommen werden könnte, dass diese
jeweils im Einzelfall vorzunehmende Prüfung regelmäßig zu dem
Ergebnis führe, die Nichtigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede habe auf
die Höhe der Vergütung keinen Einfluss, hält der Senat daran nicht
fest.
[11] 3. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob
im Streitfall die Nichtigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede zur
Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt. Denn jedenfalls kann sich der
Beklagte, nachdem er die Bauleistung erbracht hat, nach Treu und
Glauben nicht auf eine etwaige Nichtigkeit des Vertrages berufen, §
242 BGB.
[12] a) Der das gesamte Rechtsleben beherrschende
Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch im Rahmen nichtiger
Rechtsgeschäfte. Deshalb kann die Berufung auf die Nichtigkeit eines
Vertrages in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine unzulässige
Rechtsausübung darstellen. Das gilt nicht nur im Anwendungsbereich
von § 138 BGB (vgl. BGH, Urteile vom 23. Januar 1981 - I ZR 40/79,
NJW 1981, 1439 und vom 28. April 1986 - II ZR 254/85, NJW 1986,
2944, 2945), sondern auch bei § 134 BGB (vgl. BGH, Urteile vom 12.
Januar 1970 - VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152, 158 f.; vom 23. September
1982 - VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39, 47; vom 22. Januar 1986 - VIII ZR
10/85, NJW 1986, 2360, 2361; vom 5. Mai 1992 - X ZR 134/90, BGHZ
118, 182, 191 und vom 1. Februar 2007 - III ZR 281/05, NJW 2007,
1130).
[13] Allerdings dient § 134 BGB dem öffentlichen
Interesse und dem Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs. Er schränkt
die Privatautonomie ein; gesetzliche Verbote stehen nicht zur
Disposition der Parteien (BGB-RGRK/Krüger-Nieland/Zöller, 12. Aufl.,
§ 134 Rdn. 1 und Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., § 134 BGB Rdn. 1).
Hieraus wird in der Literatur gefolgert, die Berufung auf Treu und
Glauben gegenüber einer aus § 134 BGB folgenden Nichtigkeit sei
grundsätzlich unzulässig. Auf diese Weise könne ein gesetzliches
Verbot nicht verdrängt werden, das Vertrauen auf die Wirksamkeit
einer verbotsgesetzwidrigen Vereinbarung verdiene generell keinen
Schutz (Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 134 Rdn. 17;
MünchKommBGB/Armbrüster, 5. Aufl., § 134 Rdn. 112).
[14] Diesen Bedenken kommt jedenfalls hier keine
entscheidende Bedeutung zu. Denn gegen ein gesetzliches Verbot im
Sinne des § 134 BGB verstößt allein die Ohne-Rechnung-Abrede, nicht
aber der Bauvertrag als solcher ohne diese Abrede. Seine Nichtigkeit
folgt nicht unmittelbar aus § 134 BGB, sondern gegebenenfalls aus
der Anwendung von § 139 BGB. Diese Vorschrift enthält dispositives
Recht; die in ihr vorgesehene Gesamtnichtigkeit kann abbedungen
werden (BGH, Urteil vom 30. Januar 1997 - IX ZR 133/96, NJW-RR 1997,
684, 685). Die Parteien hätten daher vereinbaren können, dass eine
Nichtigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede sich nicht auf die anderen
Vertragsbestandteile erstrecken soll. In diesem Fall wäre der
Beklagte den Mängelansprüchen des Klägers ausgesetzt. Lediglich
diese in der Disposition der Parteien liegende Rechtsfolge wird
durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf anderem
Wege herbeigeführt. Die Nichtigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede im
Interesse der Allgemeinheit bleibt davon unberührt.
[15] b) Beruft sich der Unternehmer, der die Bauleistung
erbracht hat, zur Abwehr von Mängelansprüchen des Bestellers auf die
Nichtigkeit des Bauvertrages wegen der Ohne-Rechnung-Abrede, stellt
dies einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar
(a.A. OLG Saarbrücken, OLGR 2000, 303). Dies beruht auf der
spezifischen Interessenlage, die sich bei einem Bauvertrag mit
Ohne-Rechnung-Abrede für die Vertragsparteien typischerweise ergibt:
[16] Bei einem solchen Bauvertrag erbringt der
Unternehmer die von ihm geschuldeten Bauleistungen regelmäßig an dem
Grundstück des Bestellers. Eine Rückabwicklung des Vertrages durch
Rückgabe der Leistung ist, wenn überhaupt, gewöhnlich nur mit
erheblichen Schwierigkeiten möglich. Durch sie würden
wirtschaftliche Werte gefährdet; der Unternehmer müsste bei einer
solchen Rückabwicklung in fremdes Eigentum eingreifen (vgl. hierzu
BGH, Urteil vom 28. September 2006 - VII ZR 303/04, BauR 2007, 111,
113 = NZBau 2006, 781 = ZfBR 2007, 44, 45 m.w.N.). Ist die erbrachte
Bauleistung mangelhaft, ist daher das Eigentum des Bestellers mit
den hieraus folgenden Nachteilen nachhaltig belastet, die durch
schlichte Rückabwicklung des Bauvertrags regelmäßig nicht
wirtschaftlich sinnvoll zu beseitigen sind; der Besteller wird daher
das mangelhafte Werk typischerweise behalten. Diese
Belastungssituation führt dann zu einem besonderen Interesse des
Bestellers an vertraglichen, auf die Beseitigung des Mangels
gerichteten Gewährleistungsrechten, die bei einer Nichtigkeit des
gesamten Bauvertrages entfallen würden.
[17] Für den Unternehmer liegt diese spezifische
Interessenlage des Bestellers der Bauleistung offen zutage. Hat er
die Bauleistung mangelhaft erbracht, verhält er sich treuwidrig,
wenn er sich gegenüber dem in der dargestellten Weise belasteten
Besteller auf eine Gesamtnichtigkeit des Bauvertrages beruft, die
allein aus der Gesetzwidrigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede folgen
kann. Denn der Unternehmer hat in Kenntnis dieser Abrede und der
dargestellten Interessenlage den Vertrag durchgeführt, sozusagen
"ins Werk gesetzt", und seine Bauleistung erbracht. Er setzt sich in
dieser von ihm maßgeblich mitverursachten Situation unter Verstoß
gegen Treu und Glauben in Widerspruch zu seinem bisher auf Erfüllung
des Vertrags gerichteten Verhalten, wenn er nunmehr unter
Missachtung der besonderen Interessen seines Vertragspartners die
Ohne-Rechnung-Abrede, die regelmäßig auch seinem eigenen
gesetzwidrigen Vorteil dienen sollte, zum Anlass nimmt, für die
Mangelhaftigkeit seiner Leistung nicht einstehen zu wollen mit der
Folge, dass der Besteller unter Beeinträchtigung seines Eigentums
dauerhaft mit den Mangelfolgen belastet bleibt.
[18] c) Nach diesen Grundsätzen kann der Beklagte gemäß §
242 BGB gegenüber den Mängelansprüchen des Klägers nicht einwenden,
der Bauvertrag sei wegen der Ohne-Rechnung-Abrede insgesamt nichtig.
[19] III. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht
Gelegenheit, dem Hinweis in der Revisionserwiderung auf einen
eventuellen Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit nachzugehen.
Dressler Bauner Safari Chabestari
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Eick befindet sich im Urlaub
und kann nicht unterschreiben.
Dressler Halfmeier